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Live

Live

Titel: Live
Autoren: Ein Thriller
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eine gehabt, Donald!“
     
    Donald hatte geschwiegen. Donald hatte ausgesehen, als hätte Vanessa ihm eine Ohrfeige gegeben.
     
    „Ich wünschte, du hättest eine Affäre gehabt“, hatte Vanessa gesagt, „denn das hätte bedeutet, daß irgendwer noch wichtig für dich gewesen wäre, irgendwas, was nicht Zahlen und Nummern sind.“
     
    „Das meinst du nicht ernst.“
     
    Vanessa hatte es ernst gemeint.
     
    Für einen Augenblick zwar nur, aber diese Augenblicke waren diejenigen, mit denen sie würde leben müssen…
     
    … mit denen sie heute lebte, in diesen Erinnerungen gefangen, genauso wie sie in der Zukunft mit dieser Schuld leben würde, mit dem, was sie und Donald getan hatten.
     
    „Du weißt, es gibt keinen anderen Weg“, erzählte Donald ihr von dem Video aus, als Vanessa die Augen wieder öffnete. Seine Stimme war erschöpft, sein Gesicht war von der Schuld schon da zerfressen gewesen. „Ich hab es versucht. Du hast es versucht. Wir haben alles versucht.“
     
     
     
    Fünfzehn Wochen später
     
    „Sie haben gelogen.“
     
    Dr. Orson Collins schaute von seinem Mercedes SUV hoch, den er gerade aufschließen wollte und ließ einen tiefen Seufzer aus, als er Susan Miller an dem Baum gelehnt sah, der vor seinem Haus war und an dem er immer parkte.
     
    „Und Sie haben keinen Job mehr“, sagte Collins.
     
    „So sieht’s aus.“
     
    „Das bedeutet, ich muß mich gar nicht ihnen unterhalten.“
     
    „So sieht’s aus.“
     
    „Turow kam nicht zu Ihnen, weil er einen Zusammenbruch hatte, nicht wahr?“
     
    „Oh, Donald Turow hatte einen Zusammenbruch, Miss Miller, das kann ich Ihnen mit absoluter Sicherheit sagen.“
     
    „Er hat Ihnen vorgeworfen, daß die Antidepressiva seinen Sohn in den Selbstmord getrieben haben.“
     
    „Wie ich schon sagte, Miss Miller, Donalds Turow hatte einen kompletten Zusammenbruch.“
     
    „Ist das so?“
     
    „Ja. Er bat mich darum, die Medikamente verschrieben zu bekommen. Verstehen Sie? Das war nicht ich, das war er. Und, das können Sie mir glauben, Miss Miller, niemand nimmt diese Dinger freiwillig.“
     
     
     
    Fünfzehn Wochen später
     
    „Es interessiert niemanden“, sagte ihr Mann auf dem Video. Vanessa Kesel wünschte sich, nur ein einziges Mal, ihn noch einmal umarmen zu können. „Das ist, was mir klar geworden ist. Das ist alles, was wir sind, Vanessa. Was Sean sein wird. Nur eine Statistik.“
     
    Vanessa hatte das Video so oft gesehen, daß sie den nächsten Satz mit ihm flüsterte, der Satz, der ihr am meisten weh tat, der Satz, den sie sich über Jahre immer wieder gesagt hatte.
     
    „Für dich wird es am schwersten sein“, sagte ihr Donald vom Bildschirm aus. Sie wisperte den Satz, während sie ihr Hände ballte, bis ihre Fingernägel sich tief in das Fleisch gruben.
     
    „Du wirst damit leben müssen, was ich getan habe, Vanessa. Aber man wird dir zuhören. Du mußt es ihnen sagen. Was diese Dinger tun. Was sie den Menschen antun. Sie haben sonst niemandem zugehört, nicht solang man es verstecken kann, in Statistiken. Nicht solange sie es nicht live sehen können“, sagte Donald vom Video. „Das ist es, was es sein muß. Es muß live sein. Sie müssen es sehen, nicht in einer Dokumentation, nicht in einem Buch. Live.“
     
    Vanessa weinte. Es war ein lautloses Weinen.
     
    „Statistik“, sagte Donald ihr leise vom Bildschirm. „Ein paar Menschen, das ist alles, was es braucht. Ein paar, um Tausende zu retten. Damit kann ich leben.“
     
    Vanessa Kesel klickte auf die Fernbedienung.
     
    Der Bildschirm fror ein. Donalds Gesicht war ein trauriges Lächeln, aus der Vergangenheit, ein Mann, der drei Jahre gebraucht hatte, um es zu planen. Er war immer jemand gewesen, der analytisch dachte. Der alles bis zum logischen Ende dachte. Aber er würde nicht damit leben müssen.
     
    Nein, er nicht.
     
    Sie würde damit leben müssen.
     
    Nach einer Weile, nachdem ihre Tränen nicht mehr kamen, nachdem sie nicht mehr wußte, was sie fühlen konnte, ob sie jemals wieder würde fühlen können, schaltete Vanessa Kesel das Video aus.
     
    Und dachte an die Menschen, die gestorben waren.
     
    Sie würde damit leben müssen.
     
     
     

Die Statistiken in diesem Roman entspringen nicht der Fantasie des Autors, sondern sind Ergebnisse mehrerer unabhängiger, wissenschaftlichen Studien bzw. der Arbeit von Journalisten.
     
    So wurde in einer Meta-Studie aller Daten (nicht nur der Daten, die der amerikanischen
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