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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee
Autoren: Katrin Rohde
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etwas undeutlich mit dem Zwieback im Mund und spülte ihn mit Tee hinunter.
    „Ich habe mir gedacht, bevor ich in deinen Kartons wühle und suche, bringe ich etwas von zu Hause mit." Paulas Mutter war immer sehr praktisch veranlagt, das mochte Paula sehr an ihr.
    „Hmm, gute Idee." Sie nahm sich den nächsten Zwieback. Erstaunlicherweise stellte sie fest, dass sie Appetit hatte.
    Luise tippte ihren Mann am Arm. „Walter, wir müssen weitermachen. Gerd kommt bald zum Herd anschließen."
    „Dann wollen wir mal. Hast du alles?"
    „Ja, ich denke schon. Ich werde hier faul herumliegen und euch beim Arbeiten zuhören."
    Walter beugte sich zu seiner Tochter hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Schön, dass du wieder da bist." Er lächelte sie warmherzig mit seinen grauen Augen an.
    Paula nickte und hatte einen Kloß im Hals. Wie hatte sie nur so lange und so weit weg von ihren Eltern leben können? Und wofür? Wut stieg in ihr hoch. Der restliche Zwieback steckte ihr im Hals, den sie mit kleinen Schlucken Tee hinunterspülte. So wie sie auch versuchte, die aufsteigenden schlechten Gedanken zu unterdrücken. Sie schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit in Trauer oder Wut zu verfallen. Sie schob die belastenden Gedanken weg, angelte sich die Banane, entfernte die Schale und vernichtete schmatzend die süße Frucht.
    Von nebenan hörte sie ihre Eltern, die sich mit dem Wohnzimmerregal abmühten. Ein bisschen schlechtes Gewissen schwang mit, nachdem sie den Tee ausgetrunken hatte und sich auf die Seite drehte. Aber nur ein bisschen, stellte sie erleichtert fest. Irgendwann schlief sie ein.
    Träume ließen sie unruhig im Bett wühlen. Sie träumte von Hühnersuppe und von Frau Wagner, die ihrer Mutter keine anbot. Frau Lindner tauchte ebenfalls auf, die ständig rief: "Hier können Sie nicht parken!"
     
    Gegen frühen Nachmittag wurde Paula sanft von ihrem Vater geweckt. „Paula?" Er stupste sie leicht gegen die Nase.
    „Hmmm?"
    „Wir sind soweit fertig. Den Kleiderschrank machen wir morgen, wir wollten dich nicht stören."
    „Wo ist Mama?"
    „Sie ist unten bei Frau Wagner und hat den Suppenteller mitgenommen. Sie ist aber schon recht lange weg, bestimmt verquatschen die Beiden sich. Ich guck mal, wo sie bleibt."
    „Nicht nötig, da bin ich schon und ich habe jemanden mitgebracht." Hinter ihr tauchte Frau Wagner auf. Sie hatte wie den Tag zuvor eine helle Strickjacke an, trug einen dunklen Rock und die langen grauen Haare waren zu einem Knoten hochgesteckt.
    „Ich kümmere mich um sie, Sie können beruhigt nach Hause fahren. Wenn etwas ist, habe ich Ihre Telefonnummer." Frau Wagner lächelte Luise offenherzig an.
    „Das ist wirklich ganz reizend von Ihnen. Da weiß ich meine Tochter in guten Händen. Es wäre doch schade gewesen, den Doppelkopf-Abend abzusagen, der nur einmal im Monat stattfindet. Außerdem sind wir heute Gastgeber."
    Verdutzt verfolgten Paula und ihr Vater das Gespräch. Was war passiert? Die beiden Frauen verstanden sich prächtig und in der kurzen Zeit hatten sie augenscheinlich Freundschaft geschlossen.
    „So, mein Liebes, bis morgen dann. Und benimm dich", verabschiedete sich Luise bereits. Auf einmal hatte sie es eilig. Paula lag etwas auf der Zunge, um auf das „benimm dich“ etwas zu erwidern, beschloss aber, es lieber sein zu lassen.
    „Ja, Mama. Ich bin doch immer artig." Ihrem Vater zwinkerte sie zu.
    „Bis morgen."
    „Tschüss."
    Frau Wagner stand etwas abseits, zog sich nun den Stuhl heran, den Walter in der Nähe des Bettes gestellt hatte. Außerordentlich geschickt balancierte sie dabei einen Teller mit Suppe, den sie Paula reichte. „Heute gibt es eine kräftigende Rinderbrühe. Wie geht es Ihnen denn heute? Sie sehen deutlich besser als gestern aus", stellte sie im gleichen Atemzug fest.
    „Ich fühle mich auch besser. Dazu hat bestimmt Ihre Hühnersuppe beigetragen." Paula probierte die Rinderbrühe. „Hmmm, die schmeckt auch fantastisch. Das Rezept will ich haben."
    „Das habe ich Ihrer Mutter gegeben, sie fragte vorhin danach." Zufrieden beobachtete Frau Wagner Paula beim Löffeln der Suppe.
    Zwischendurch fand Paula Zeit für eine Erwiderung. „Prima, dann macht sie eine Kopie für mich."
    Diesmal brauchte Frau Wagner sie nicht aufzufordern mehr zu essen. Sie verschlang die Suppe bis auf eine kleine Lache, die sich nicht auf den Löffel schieben ließ. Paula erwog einen Moment lang diesen Rest vom Teller zu schlürfen. Dann fiel ihr ein, dass ihre
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