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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major
Autoren: Linda Lael Miller
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Bruder ...
    Der Mann und der Wagen begegneten
sich auf halbem Wege zwischen Haus und Straße. Lily sah, daß Joss genauso groß
wie Caleb war und das gleiche sandfarbene Haar hatte, wenn es auch etwas
lockiger war als Calebs. Seine Augen waren von einem tiefen Blau und seine
Statur so kräftig, daß fast gar nicht auffiel, daß er nur einen Arm hatte.
    »Mach, daß du von meinem Land
kommst!« herrschte er Caleb an.
    Caleb seufzte und stieg vom Buggy.
Lily ergriff die Zügel. »Ich denke gar nicht daran«, antwortete Caleb ruhig.
    Joss maß ihn mit wütenden Blicken.
Lily sah, daß seine Brust sich hob und senkte von den Emotionen, die in ihm
kämpften. »Sei verdammt, Caleb«, flüsterte er. »Sei verdammt dafür, daß du
zurückgekommen bist und mich daran erinnert hast, wie es früher war!« Caleb
erwiderte nichts.
    Joss' mitternachtsblaue Augen
richteten sich auf Lily, und sie sah, daß sein Blick etwas von seinem Zorn
verlor. »Deine Frau?« Caleb nickte. »Lily, das ist mein Bruder Joss.«
    »Ich freue mich, Sie
kennenzulernen«, sagte sie schüchtern.
    Die Atmosphäre war geladen mit
Feindseligkeit, und Lily fühlte sich wie ein Eindringling. Außerdem war es sehr
heiß, und sie hatte großen Durst und war sehr müde.
    Joss schwieg sehr lange, während er
Lily musterte. Dann sagte er: »Bringen Sie Ihren Mann von hier fort, Mrs.
Halliday, bevor ich mein Gewehr hole und ihn über den Haufen schieße.«
    Damit wandte er sich um und ging
stolz zurück, sein breiter Rücken eine Barriere gegen den Bruder, den er haßte.
    Lily schaute ihm offenen Mundes
nach, aber bevor sie Mr. Joss Halliday nachrufen konnte, daß das eine feine
Begrüßung war, nachdem er seinen Bruder fünfzehn Jahre nicht mehr gesehen
hatte, stürzte eine hübsche junge Frau aus dem Haus und auf den Wagen zu.
    »Caleb! Wage es ja nicht
wegzufahren!« rief sie ihnen zu, und niemand brauchte Lily zu sagen, daß es
sich um Abigail, Calebs Schwester handeln mußte.
    Tränen rannen über das Gesicht des
jungen Mädchens, als sie sich in Calebs Arme warf. Er hielt sie ungeschickt mit
seinem gesunden Arm und drehte sie einmal im Kreis, bevor er sie auf beide
Wangen küßte. »Du bist groß geworden«, bemerkte er.
    »Natürlich«, entgegnete Abigail.
»Dachtest du, ich wäre noch ein Kind?«
    Er entließ sie aus seinen Armen, und
sie richtete ihren Blick auf Lily. »Du mußt Calebs Frau sein«, sagte sie
aufrichtig erfreut, und Lily fühlte sich gleich etwas besser. Wenigstens ein
Familienmitglied, das sie willkommen hieß!
    »Und du bist Abigail«, sagte Lily
lächelnd.
    Abigail nickte, dann wandte sie sich
wieder ihrem Bruder zu. »Du wirst doch bleiben, Caleb? Du gehörst zu uns, das
weißt du, und dieses Land gehört dir genausogut wie Joss.«
    Joss hatte inzwischen das Haus
erreicht und verschwand um eine Ecke. Caleb blickte ihm nachdenklich hinterher.
»Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie hatte ich es mir leichter vorgestellt«,
sagte er enttäuscht.
    »Geh ihm nach!« forderte Abigail ihn
auf. »Er wird schon Vernunft annehmen, ganz bestimmt.«
    Doch Caleb schüttelte den Kopf. »Laß
ihn erst einmal die Tatsache verarbeiten, daß wir gekommen sind.«
    »Dann laß uns wenigstens
hineingehen«, schlug Abigail vor und schob ihre Hand unter Lilys Arm, als sie
vom Wagen stieg.
    »Ich komme später nach«, murmelte
Caleb, während er auf den Buggy kletterte und die Zügel in die Hand nahm.
    Nachdem Caleb Pferde und Wagen einem Stallburschen übergeben
hatte, ging er an dem prächtigen Haus vorbei, in dem er aufgewachsen war, und
schlug den Weg zum Obstgarten ein. Hinter der hohen Mauer, die ihn begrenzte,
befand sich der kleine Familienfriedhof.
    Caleb blieb vor dem Grab seiner
Mutter stehen. Es war sehr gepflegt, und vor dem Grabstein lagen frische
Blumen.
    »Sie hätte die Konföderation
unterstützt«, bemerkte eine Stimme hinter ihm. »Ihre Familie war aus dem
Süden.«
    Caleb drehte sich langsam zu seinem
Bruder um. »Ich glaube, das ist jetzt nicht mehr wichtig«, entgegnete er ruhig.
»Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, großer Bruder – der Krieg ist
vorbei.«
    »Nicht für mich. Und nicht für
dich.«
    Caleb wurde allmählich ungeduldig. »Ich
erwarte nicht, daß du dich dafür entschuldigst, dich den Rebellen angeschlossen
zu haben, Joss. Aber erwarte bitte auch nicht, daß ich bereue, für die Union
gekämpft zu haben. Ich bin nicht hergekommen, um zu streiten, sondern um mich
mit dir auszusöhnen.«
    »Dann verschwendest
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