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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major
Autoren: Linda Lael Miller
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»Ja, das glaube ich auch«, stimmte er ruhig zu.
    Sie seufzte. »Ach Caleb, nimm mich
in deine Arme und halte mich fest, so fest, daß ich nicht mehr denken kann!«
    Genau das tat er auch und begann
dann, sie leidenschaftlich zu küssen.
    Der Zug verließ Bolton um zehn Uhr am nächsten Morgen. Als
Lily und Caleb sich in ihrem Abteil eingerichtet hatten, wollte Lily wissen,
was die Schwierigkeiten zwischen Caleb und seinem Bruder ausgelöst hatte. »Sag
mir, warum ihr im Krieg nicht auf derselben Seite gekämpft habt!« forderte sie
ihn auf.
    Caleb nahm seufzend ihre Hand. »Fox
Chapel liegt nördlich der Grenze zu Westvirginia. Sehr viele Leute haben dort
auf seiten der Konföderation gekämpft.«
    Lily nickte stumm.
    »Joss meldete sich am gleichen Tag
zu den Waffen wie ich«, fuhr Caleb unbehaglich fort. »Danach sah ich ihn erst
wieder, als er eines Tages unter den Verwundeten lag. Eine Granate hatte ihm
einen Arm weggerissen.«
    »Hast du ihn deinen Vorgesetzten
übergeben?«
    Caleb nickte. »Es war entweder das,
oder ihn zu töten, und das hätte ich nicht über mich gebracht.«
    »Natürlich nicht«, sagte Lily.
    »Aber seitdem haßt er mich.«
    »Das ist doch lächerlich! Man sollte
meinen, er wäre froh, es überlebt zu haben.«
    »Es war eine harte Zeit für ihn im
Gefangenenlager.«
    Lily nickte. Vermutlich war es noch
viel schlimmer gewesen, als ihre Vorstellungskraft es zuließ. »Wenn er dich wiedersieht,
wird er merken, was für ein wunderbarer Mensch du bist, und dir verzeihen.«
    Caleb hob Lilys Hand und küßte sie.
»Hoffentlich hast du recht«, sagte er zweifelnd.
    Lily erschauerte, als seine Lippen
streichelnd über ihren Handrücken glitten. Sie hatten sich schon mehrere Tage
nicht mehr geliebt, weil es in dem kleinen Hotel in Bolton nur schmale Betten
gab und Caleb wegen seiner Schulter Ruhe brauchte. Nun wandte sie beschämt den
Kopf ab, damit er ihre Gedanken nicht erraten konnte.
    Doch anscheinend beherrschten ihn
ganz ähnliche Gefühle, denn er sagte plötzlich: »Ich finde, wir sollten in
einer der nächsten Städte aussteigen und für ein, zwei Tage bleiben. Ich fühle
mich sehr vernachlässigt, Mrs. Halliday.«
    Lily lächelte erfreut. »Das läßt
sich ändern«, flüsterte sie in verheißungsvollem Ton.
    »Dann laß uns gleich in der nächsten
Stadt aussteigen.«
    Es war ein kleiner Ort in Ohio. Nach
einem ausgedehnten Bad und einem langen, häufig unterbrochenen Mittagsschlaf in
ihrem Hotelzimmer kauften die Hallidays Eintrittskarten für einen Zirkus, der
sich gerade in der Stadt aufhielt.
    Lily hatte noch nie Trapezkünstler
oder Löwenbändiger gesehen und erst recht keine Löwen, und sie war hellauf
begeistert von der Vorstellung. Die Clowns brachten sie zum Lachen, bis ihr die
Tränen die Wangen hinunterliefen, und als Caleb ihr einen kandierten Apfel
kaufte, fragte sie sich, ob solche Geschenke nicht den Engeln vorbehalten
waren.
    Als sie spät abends in ihr Hotel
zurückkehrten, waren beide so müde, daß sie einschliefen, ohne sich zu lieben.

23

    Das Haus am Außenrand von Fox Chapel war ein imposantes
Gebäude aus roten Backsteinen, die fast ganz mit Efeu überwachsen waren. Eine
lange, kiesbestreute Einfahrt, von mächtigen alten Kastanienbäumen gesäumt,
erstreckte sich von der Straße bis zu der gepflegten Rasenfläche vor dem Haus.
    Caleb stoppte den gemieteten Wagen
vor dem großen Tor und starrte schweigend auf die Einfahrt.
    Auch Lily sagte nichts. Caleb hatte
sehr lange gebraucht, bis er sich zu diesem Besuch entschlossen hatte, und nun
bestand keine Eile mehr.
    »Ich habe
ihn geliebt«, gestand er leise.
    Lily
nickte. Sie konnte ihn so gut verstehen.
    »Ich weiß nicht, warum ich es tue«,
fuhr Caleb zögernd fort. »Joss ist vermutlich nicht einmal bereit, mich
anzuhören.«
    Lily betrachtete das stattliche
Haus. Es war anzunehmen, daß Caleb und Joss ihre Differenzen irgendwann
beseitigen würden, schließlich waren sie Brüder, aber es konnte einige Zeit in
Anspruch nehmen. Sie schob ihre Hand unter Calebs Arm und legte in stummem
Zuspruch den Kopf an seine Schulter.
    Irgendwann öffnete sich die Tür des
Hauses, und Lily sah einen Mann auf die Veranda treten. Er blieb einen Moment
stehen und kam dann langsam über den kiesbestreuten Weg in ihre Richtung.
    Caleb ließ die Zügel auf die
Pferderücken fallen, und der Buggy setzte sich in Bewegung. Lily hielt ihren
neuen Strohhut fest und dachte: Und Nation wird sich gegen Nation erheben,
und Bruder gegen
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