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Lilith - Wunschlos gluecklich

Lilith - Wunschlos gluecklich

Titel: Lilith - Wunschlos gluecklich
Autoren: Tine Armbruster
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wollte …?
    »Wünsch dir etwas, Lilith.«
    Moment! Woher kannte er ihren Namen?
    »Wünsch dir etwas … Ich bin alles, was du willst … Alles!«

Kapitel 1
    Die beschissene Realität
     
     
     
    D en Kopf an eine weiße, kalte Kalkwand gelehnt, die Augen geschlossen, so saß Lilith da. Vollkommen reglos. Wartend, dass irgendjemand kam und sie aus diesem Albtraum befreite. Aber es kam niemand. Obwohl sie immer wieder hektisch trampelnde Füße an sich vorbeihuschen hörte. Doch sie liefen nicht zu ihr, hielten nicht an, überbrachten keine gute Botschaft. Zumindest nicht ihr und vielleicht auch keinem anderen.
    Ihr Brustkorb hob und senkte sich ein wenig zu schnell für jemanden, der schon seit mindestens einer Stunde absolut reglos auf einem dieser unbequemen, weißen Plastikstühle verharrte. Niemand außer ihr schien zu spüren, wie es ihr ging. Es fiel keinem dieser eilig umherlaufenden Götter in Weiß auf. Sie zog sich in ihre Gedanken zurück und kramte tief in ihrem Innersten nach längst verschwunden geglaubten Erinnerungen. Immer weiter, immer tiefer tauchte sie in ihren Kopf ein und durchsuchte jeden noch so kleinen Winkel ihres Gehirns.
    Das letzte Wochenende zog in Gedanken an ihr vorbei. Ihre Großmutter und sie auf dem Flohmarkt … Die drei neuen Bücher, welche sie ihr gekauft hatte. Der Zwischenstopp in ihrem Lieblingscafé … Der Spaziergang im Park … Sie fröstelten, es war kalt.
    Sie suchte weiter und schlingerte in ihren Hirnwindungen ungefähr ein halbes Jahr zurück. Ihr sechzehnter Geburtstag. Großmutters Geschenk, ein Besuch in einer Druckerei. Die Party am Abend … Die Schauermärchen am Lagerfeuer … Die heißen Schokoladen mit den kleinen, klebrigen Marshmallows. Wenn Großmutter die dampfende Schokolade zubereitete, schmeckte sie ihr immer am besten.
    Davor der Wechsel zu einer weiterführenden Schule … Wie stolz Granny auf sie gewesen war. Aber das war sie ja immer – nichts Besonderes.
    Immer mehr Bilder stürmten auf sie ein, wärmten sie, gaben ihr Hoffnung. Aber was sie ebenfalls spürte, war Kälte. Eine wirklich beunruhigende und beklemmende Kälte. Sie griff mit ihren langen, eisigen Fingern nach ihr und verdrängte mehr und mehr die Wärme ihrer Erinnerungen.
    Lilith erschauderte, schüttelte sich regelrecht. Die erste Regung ihres Körpers seit … ja, seit wann eigentlich?
    Minuten? Stunden? Sie wusste es nicht.
    Immer weiter zappte sie durch ihre Gedanken. Sah so viele ihrer Geburtstage, Familienfeiern, Urlaube, Ausflüge, Schulaufführungen, Spaziergänge, Shoppingtouren, Lesungen … Ihre Großmutter war immer dabei gewesen, hatte einen festen Platz in ihrem Leben gehabt, doch nun? Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, aber sie bewegte sich nicht. Gab dem Gefühl keine Macht, sie zu beherrschen.
    Zu den Geräuschen hastig umherhuschender Füße drängten sich zunehmend Stimmen, wirr und durcheinander, uninteressant. Doch dazwischen mischte sich plötzlich das zarte und hohe Stimmchen eines kleinen Kindes. Ein Mädchen. Es wurde an ihr vorbeigezogen. Sie hörte das unverkennbare schnelle Tippeln zweier Füßchen, welches erst anschwoll, dann wieder abebbte. »Mommy, Mommy?«, fragte es. »Wo ist Granny?« Die Stimme zittrig, ängstlich, eingeschüchtert.
    Lilith lauschte, doch es blieb still. Niemand antwortete und die Schritte wurden leiser und leiser, bis sie irgendwann zwischen all dem anderen Lärm gänzlich verstummten. Genau in diesem Moment fühlte sich Lilith mit einem Mal so unsagbar klein, angsterfüllt und verloren. Sie war verzweifelt und ihre Seele bröckelte entzwei. Immer größere Stücke brachen von ihr ab und schienen sich unwiederbringlich aufzulösen. Es war fast so, als wäre sie dieses kleine Mädchen, das eben ängstlich und zweifelnd an ihr vorbeigetippelt war. Auch sie flehte nach ihrer Großmutter, flehte um deren Leben.
    Lilith seufzte. Abermals reagierte niemand auf sie, also erlaubte sie sich einen weiteren tiefen Atemzug, um sich zu beweisen, dass sie noch hier war, noch lebte, aber das Gegenteil schien der Fall. Nie zuvor hatte sich ihr Körper abgestorbener angefühlt. Abgetrennt vom Rest der Welt.
    Ihre Gedanken drifteten erneut in die Vergangenheit. Sie sah sich als kleines Kind, nicht älter als vier. Vielleicht sogar genauso alt wie das Mädchen von eben. Sie saß in ihrem Zimmer und malte ein Bild. Es zeigte ihre Großmutter und sie, Hand in Hand. Ihre Großmutter sah furchtbar darauf aus. Na ja, das
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