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Lilith - Wunschlos gluecklich

Lilith - Wunschlos gluecklich

Titel: Lilith - Wunschlos gluecklich
Autoren: Tine Armbruster
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und mied seinen sie immer noch durchbohrenden Seitenblick. Klasse! Er hatte es geschafft. Dabei hatte sie sich heute Morgen doch so gut unter Kontrolle gehabt. Die ersten Tränen für den heutigen Tag kullerten über ihre Wangen und sie wusste, es würden nicht die letzten sein. Eigentlich wollte sie zur Schule, um mit niemandem darüber sprechen zu müssen. »Annie ist tot.« Sie schluchzte erstickt. Ihre Kehle fühlte sich trocken und kratzig an und staubte beinahe beim Sprechen.
    »Deine Katze?«, erwiderte Jordan überrascht.
    Klar, dass er nicht an Großmutter dachte, immerhin war ihre Katze Annie, die sie mit drei Jahren bekommen und nach ihrer Granny benannt hatte, mittlerweile auch schon sehr betagt. »Nein … Annie, meine Großmutter.« Immer noch starrte sie stur aus dem Fenster, obwohl sie mittlerweile überhaupt nichts mehr außerhalb des Wagens erkennen konnte. Ihr Blick war von einer erneuten Heulattacke indessen so verschleiert, als wäre sie hinter einem undurchdringbaren Wasserfall gefangen. Auch der Druck in ihrem Kopf hatte wieder zugenommen, und momentan wünschte sie sich fast, sie hätte den Tag doch lieber im Bett verbracht.
    »O mein Gott, Lil …«, flüsterte Jordan mitfühlend, rutschte über die Handbremse zu ihr herüber und schloss sie einfach stumm in eine starke, tröstende Umarmung ein. Dankbar wandte sie sich ihm zu und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
    Minutenlang hielt er sie, gab ihr Ruhe, Halt und Geborgenheit, bis sie wieder einigermaßen sie selbst war und zu ihrer morgendlichen Selbstbeherrschung zurückgefunden hatte. Danach sah er sie einfach nur an und sie nickte. Sie verstanden sich, wie so oft, auch ohne Worte. Dieser Augenblick war genau einer dieser wunderbar stummen Momente zwischen ihnen, der alles gab und nichts nahm.
    Er startete den Wagen und fuhr ohne ein weiteres Wort Richtung Schule. Lilith lehnte sich in den bequemen Schalensitz zurück und starrte wieder stur aus dem Seitenfenster. Diesmal war ihr Blick fest nach oben in den Himmel gerichtet. Es war bewölkt, dennoch konnte man hier und da zwischen den mausgrauen Wolken eine überirdisch schöne und beruhigende, blaue Weite erahnen. Ob Granny wohl irgendwo da oben war? Sah sie von dort vielleicht sogar auf sie herab? Lief das mit dem Tod und all dem überhaupt so ab? Kam die Seele eines Menschen nach dem Tod in den Himmel oder gab es danach einfach nichts?
    Liliths Überlegungen wurden durch den stoppenden Wagen und den kurz darauf ersterbenden Motor unterbrochen. Sie hatte ganz vergessen, wie kurz der Weg zur Schule war. Jordan stieg aus, kam um den Wagen herum, öffnete die Tür, schnappte sich ihre Tasche und hielt Lilith die Hand entgegen. Aber sie war wie erstarrt und saß weiterhin reglos im Auto. Fast wartete sie darauf, dass ihre Seele sich erheben und in den Himmel emporsteigen würde, um nach Großmutter zu suchen. Es hätte ihr nichts ausgemacht, zu gehen.
    »Lil? Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, aber es sieht bestimmt seltsam aus, wenn ich dich in die Schule trage. Meinst du nicht auch?«
    Bei der bloßen Vorstellung, dass Jordan sie wie einen nassen Sack über die Schulter werfen und in die Schule bugsieren würde, musste sie lachen. Sie war todtraurig, aber Jordan hatte es geschafft und ihr ein kehliges Lachen entlockt. Er war der Beste!
    Trotzdem fühlte sich dieses Lachen aus ihrem Mund unwirklich an. Irgendwie falsch, angesichts der Tatsache, dass sie erst vor wenigen Stunden ihre Großmutter verloren hatte. Unsicher stoppte sie sich, indem sie eine Hand auf den Mund presste und das deplatzierte Geräusch erstickte. »Danke, Jordan … ich liebe dich«, bedankte sie sich bei ihm und ergriff seine Hand.
    »Lügnerin«, erwiderte er und zog sie schwungvoll aus dem Wagen.
    »Du weißt, ich liebe dich …«, verteidigte sie sich.
    »Jaja … und du weißt, dass ich dich liebe. Wirklich!«
    »Jordan …«
    »Rein platonisch, ich weiß«, ergänzte er schelmisch und zog sie hinter sich her durch das große Haupttor.
    Camille und Mercedes warteten schon an ihren Spinden auf Lilith. Die lagen, dank einer kleinen Spende von Cams Dad, praktischerweise alle vier nebeneinander. Lilith war etwas spät dran, da sie sich noch schnell Make-up-technisch in den Mädchentoiletten im Untergeschoss frisch gemacht hatte. Nach einigen Minuten fand sie sich sogar wieder einigermaßen vorzeigbar, und selbst Jordan bestätigte ihr, dass sie fast wieder so frisch und munter aussah wie immer. Auch
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