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Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals
Autoren: Merice Briffa
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musste er nur ein paar strenge Worte über sich ergehen lassen. Nun ließ er sich seine Erleichterung anmerken. »Danke, Sir, dass Sie mich nicht bestrafen wollen. Ich verspreche, dass ich nie wieder weglaufe.«
    Doch das Lächeln, das um seine Mundwinkel gespielt hatte, verschwand bei den nächsten Worten von Mr Trevannick rasch wieder.
    Â»Bestraft wirst du schon, Darcy. Ich habe lediglich gesagt, dass es keine körperliche Strafe sein wird. Morgen früh wirst du mich begleiten und mit jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind auf der Farm reden. Du wirst jedem Einzelnen erklären, dass du selbstsüchtig und rücksichtslos gehandelt hast, und dich für die Aufregung und Sorge, die du verursacht hast, entschuldigen.«
    Â»Bei jedem?« Ihm war die Vorstellung zuwider, sich mit dem Hut in der Hand bei einfachen Farmarbeitern entschuldigen zu müssen. Sie würden sein Unbehagen genießen. Wenn er jetzt die Wahl hätte, würde er lieber eine Tracht Prügel über sich ergehen lassen, als eine solche Demütigung zu ertragen.
    Â»Ja, bei jedem. Es wird höchste Zeit, dass du ein bisschen Demut lernst, Darcy. Außerdem verbiete ich dir für einen Monat das Reiten.«
    Â»Das können Sie nicht machen.« Das Verbot traf ihn mit solcher Wucht, dass er lautstark protestierte. Mr Trevannick hatte ihm die schlimmste Strafe erteilt, die überhaupt möglich war. Nicht reiten dürfen? Genauso gut hätte man ihn einen Monat lang an einen Holzklotz ketten können.
    Ruans Vater ließ der Protest ungerührt. »Und ob ich das kann. Und wenn du Widerworte gibst, mache ich zwei Monate daraus. Jetzt geh zu deinen Eltern zurück und fang bei ihnen damit an, dich für deine Torheit zu entschuldigen.«
    Das war’s. Darcy verließ den Raum mit trotzig erhobenem Kopf. Er war am Boden zerstört, denn nichts liebte er so sehr wie das Reiten. Am liebsten hätte er losgeheult, doch noch nie in seinem Leben hatte er sich vor jemandem gedemütigt. Das letzte Mal hatte er geweint, als Onkel Josh gestorben war. Damals war er erst vier Jahre alt gewesen. Er blickte zur Milchstraße hinauf, zu dem hellen Stern, von dem Nelson ihm gesagt hatte, dass dort Onkel Josh sei.
    Â»Ich wünschte, du wärst nicht gestorben, Onkel Josh. Ich weiß, dass du mir helfen würdest.«
    Dann fing er an zu weinen. Er rannte zum Stall und huschte in die Box zu seiner wunderschönen Fuchsstute Goonda. Als er sie das erste Mal gesehen hatte, hatte ihr Fell wie eine Flamme in den Strahlen der untergehenden Sonne geleuchtet. Ganz spontan hatte er sie nach dem Aborigine-Wort für Feuer benannt. Sie wieherte zur Begrüßung. Er legte ihr die Arme um den Hals und lehnte seinen Kopf an ihre Mähne. »Du wirst das genauso schrecklich finden wie ich. Es ist nicht gerecht.« Abrupt ließ er das Pferd wieder los, kauerte sich in eine Ecke der Box und schluchzte vor Kummer und Enttäuschung.
    Am nächsten Tag führte er mit hocherhobenem Kopf Mr Trevannicks Befehl aus. Er merkte nicht, mit welchem Stolz sowohl Ruans Vater als auch Nelson beobachteten, wie er seine Aufgabe erfüllte. Obwohl er sich über die ihm erteilte Strafe furchtbar ärgerte, hatte er beschlossen, sie wie ein Mann hinzunehmen. Das Verbot zu reiten traf ihn viel schwerer, zumal Ruan und Etty genau an diesem Nachmittag beschlossen auszureiten und ihn fragten, ob er mitkommen wollte.
    Â»Ich darf nicht. Euer Vater hat mir für einen Monat das Reiten verboten.«
    Â»Einen ganzen Monat!«, riefen Bruder und Schwester gleichzeitig. »Wie gemein von Papa«, erklärte Etty. »Er hat dich doch schon gezwungen, dich bei jedem auf der Farm zu entschuldigen. Das war hart genug und außerdem furchtbar erniedrigend.«
    Die Wunde über die erfahrene Demütigung war noch so frisch, dass Darcy trübsinnig die Mundwinkel hängen ließ. Einige der Farmarbeiter, meist ungebildete Männer, hatten offen gezeigt, wie sehr sie sein Unbehagen genossen.
    Â»Ein Aborigine zu sein und gedemütigt zu werden, das scheint Hand in Hand zu gehen.« Er konnte seinen verbitterten Tonfall nicht unterdrücken.
    Â»So ein Blödsinn«, erwiderte Etty. »Ich werde mit Papa reden.«
    Bei diesen Worten brauste Darcy sofort auf. »Nein, das wirst du nicht tun. Du brauchst dich nicht in mein Leben einzumischen.«
    Verärgert über diese Abfuhr warf Etty verächtlich den Kopf
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