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Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals
Autoren: Merice Briffa
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einen Kessel. Gegen eine Tasse Tee hätte ich nichts einzuwenden.«
    Darcy legte einige Äste auf das Feuer, damit es heiß genug war, um Tee zu kochen. Mürrisch beobachtete er, wie Nelson aufstand und sich ein kurzes Stück entfernte, um zu pinkeln. Da er nicht als Erster etwas sagen wollte, machte ihn die betonte Lässigkeit seines Stiefvaters recht nervös.
    Erst als Nelson ihm seinen Zinnbecher hinhielt, damit er ihm Tee einschenkte, sagte er das, worauf Darcy gewartet hatte. Mit ruhiger Stimme, weder wütend noch vorwurfsvoll, stellte er die simple Frage: »Willst du mir sagen, warum du weggelaufen bist?«
    Â»Du weißt doch, warum ich weggelaufen bin.« Schaudernd erkannte Darcy, dass er sich anhörte wie ein trotziges Kind, obwohl er eigentlich hatte rebellisch klingen wollen. Entschlossen. Erwachsen. Er räusperte sich und senkte bewusst die Stimme. »Du kennst den Grund.«
    Nelson gab das weder zu, noch stritt er es ab. »Ich will ihn von dir hören.«
    Der Junge stocherte missmutig mit einem Ast im Feuer. »Ruan darf aufs Internat und ich nicht. Dabei bin ich viel klüger als er.«
    Â»Außerdem bist du ein Aborigine. Du bist alt genug, Darcy, um zu verstehen, dass es Dinge gibt, die man dir niemals erlauben wird. Keinem Jungen mit Aborigine-Blut in den Adern wird je erlaubt werden, eine Schule zu besuchen, und erst recht kein Internat.«
    Darcy wusste, dass Nelson recht hatte. Allerdings war er nur zur Hälfte Aborigine und wie ein Weißer erzogen worden, ebenso wie seine Mutter, die eine vollblütige Aborigine war. Doch auch wenn er die Realität kannte, milderte das seinen Groll nicht. »Ich bin kein gewöhnlicher Aborigine. Und du und Mummy auch nicht. Wir sind genauso wie die Weißen.«
    Â»Unsere Haut bleibt trotzdem schwarz.«
    Â»Meine Haut ist braun.« Warum hatte er bloß versucht, sich davon abzugrenzen, wo sein Stiefvater doch die gleiche braune Haut hatte wie er?
    Â»Schwarz, braun – für die Weißen ist das das Gleiche. Darcy, du bist sehr behütet aufgewachsen. Das Leben wird es nicht immer gut mit dir meinen. Sehr viele weiße Männer werden dich schon allein aus dem Grund hassen, weil du bereits heute intelligenter und gebildeter bist als ein großer Teil von ihnen.«
    Â»Ist es denn bloß wegen meiner Haut ein Verbrechen, wenn ich eine bessere Schulbildung haben will? Ich möchte jemand Bedeutendes sein. Ich möchte etwas aus meinem Leben machen. Ich will nicht wie du mein Leben lang die Schafe eines anderen hüten.«
    Die Worte waren ihm unbedacht herausgerutscht, und er rechnete sogleich damit, für diese Bemerkung, die praktisch eine Beleidigung seines Stiefvaters war, bestraft zu werden. Nelson reagierte jedoch nicht so, wie Darcy erwartet hatte, nur seine Augen schienen sich leicht zu verengen. In aller Ruhe griff er nach einem Zweig und rührte damit in seinem Tee.
    Â»Du musst noch viel lernen, junger Mann. Dinge, die nichts mit Lesen, Schreiben oder Rechnen zu tun haben. Eigentlich hätte ich der Erbe meines Vaters sein müssen. Ich war sein ältester Sohn und derjenige, den er am meisten geliebt hat. Stattdessen wird der Besitz an meine Stiefbrüder gehen, die ehelich geboren wurden. Mein Vater hat mich geliebt, und er hat meine Mutter geliebt. Doch alle Liebe auf der Welt kann die Herkunft eines Menschen nicht verändern oder das, was die Leute denken. Als ich das Haus meines Vaters verließ, habe ich mir vorgenommen, was auch immer ich tue, so gut wie möglich zu machen. Und was ich gut kann, ist Farmarbeit. Ich hätte verbittert darüber sein können, dass ich von meinen weißen Stiefbrüdern vergrault worden bin. Ich habe mich entschlossen, es nicht zu sein. Ein Mann ist nur dann zufrieden, wenn er die Dinge akzeptiert, die er nicht ändern kann.« Nelson stellte seinen leeren Becher ab und stand auf. »Was ist? Bist du bereit, zurück nach Hause zu kommen? Mit deinem Verschwinden hast du deiner Mutter großen Kummer bereitet.«
    Â»Wirst du mich bestrafen?«
    Â»Ich nicht, aber vielleicht deine Mutter. In der Hinsicht kann ich dir nichts versprechen.«
    Da Darcy keine Sekunde daran glaubte, dass seine Mutter ihn allzu hart bestrafen würde, zog er Hemd und Stiefel an und sammelte seine wenigen Habseligkeiten auf. Eine Frage hatte er allerdings noch an seinen Stiefvater.
    Â»Hast du drei Tage lang nach mir
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