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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale
Autoren: D Thomas
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seinen Kollegen um. Keine Reaktion.
    »Keine Ahnung, was wir hier abziehen wollen. Die Frage ist doch, was wollen die hier abziehen?«, konterte David.
    »Auf welcher Seite stehst du eigentlich, Steve?«, fragte Joe. »Glaubst du wirklich, das sind Heilige da drüben, die nur auf dein ›Einspruch, Euer Ehren‹ warten, damit sie friedlich abdrehen und auf ihre Beute verzichten?«
    David winkte ab, es brachte nichts, sich weiter darüber zu ereifern. »Wir werden sehen. Joe, nimm Kurs auf die ›Hikari‹.«
    Steve wusste, dass er schnell einen Vorschlag unterbreiten musste, bevor die Hardliner unter ihnen das Zepter in die Hand nahmen, um mit welch brachialen Methoden auch immer die Walfänger von ihrem Vorhaben abzuhalten. »Reicht es nicht, wenn wir mit den Schlauchbooten dazwischengehen? Die werden nicht riskieren, auf uns zu schießen.«
    David konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Auf welchem Planeten lebst du bloß?«
    Steve, der ziemlich genau zu wissen glaubte, wer hier als Einziger mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stand, gab umso weniger nach: »Die wissen, dass sie hier keine Wale abknallen dürfen. Wenn die merken, dass wir sie filmen ... David, die Aktion mit den Schlauchbooten zeigt passive Größe, alles andere ist ein Akt der Aggression und wird von den Medien in den Dreck gezogen.«
    Joe konnte über Steves Naivität nur müde lachen.
    »Was kümmert es die Wale, was deine Medien schreiben, wenn sie tot sind.«
    »Dazu wird’s nicht kommen«, beharrte Steve.
    David schaute in die Runde, doch abgesehen von Joe und Masao hielten sich die anderen bedeckt.
    Natürlich verabscheute er jeden Akt der Gewalt, besonders, wenn es sich vermeiden ließ. Aber Gewalt war genau das, was diese Typen den Walen antaten, und die wehrten sich bekanntlich nicht. Wie also sollte er sich entscheiden?
    Steve spürte, dass er Oberwasser hatte, also setzte er schnell hinzu: »Die werden nicht so blöd sein, es vor laufender Kamera zu riskieren, vertrau mir einfach.«
    »Wir lassen es auf einen Versuch ankommen, Steve. Alles andere wird sich zeigen.«
    Steve atmete auf. Er war nun mal für den politischen Teil ihrer Mission zuständig, für die Medienarbeit, für das Einsammeln von Spendengeldern und das Auffinden von Sponsoren, und er hatte absolut keine Lust darauf, es sich mit irgendwem da draußen durch einen unbedachten Fehler zu verscherzen. Er war sich der Bedeutung durchaus bewusst, die er bei diesem Einsatz auf der »SeaSpirit« hatte. Wenn er David und die Crew nicht in ihrem Aktionismus bremsen und auf die richtige Bahn lenkenkonnte, dann sah es für ihre Stiftung nicht gut aus. Er hatte es schon schwer genug, Spender in Industrie und Wirtschaft zu finden, die sich hinter ihre Arbeit stellten. Noch ein Skandal in der Presse, und die sprangen ihm alle wieder ab. Doch das gab er hier wohlweislich nicht zum Besten. Wäre auch kaum ein Argument gewesen, das nur einen einzigen von ihnen in die Schranken gewiesen hätte.
    Steve hatte Bedeutendes vor, und dazu war es notwendig, dass David sich seines politischen Handelns mehr bewusst wurde. Er musste begreifen, dass große Entscheidungen an großen Tischen verhandelt wurden und nicht auf irgendwelchen Schiffchen auf hoher See. Und dieser Tag heute, wer weiß, vielleicht konnte es der erste Sieg der Diplomatie werden? Zumindest versuchte Steve sich das einzureden.
    Masao war es ebenso wie Joe anzusehen, dass er mit Davids Entscheidung nicht zufrieden war, doch was konnte er machen – David war der Boss. Noch dazu hatte Masao eine gehörige Portion Respekt vor ihm, betrachtete ihn als väterlichen Freund, seitdem der es geschafft hatte, ihn von den Drogen wegzuholen – auch wenn Davids Methode damals vor vier Jahren ziemlich rabiat gewesen war. Rabiat, aber effektiv.
    In seinem Job als zweiter Steuermann eines japanischen Frachters war es für Masao ein Leichtes gewesen, von einem Hafen zum anderen »Vitamin H« zu schmuggeln, und es hätte ein recht einträgliches Handelsunternehmen daraus werden können, wenn er sich nicht selbst an der Ware bedient hätte. Die fehlenden Mengen – und Mengen waren es gewesen, Unmengen – füllte der aufstrebende Jungunternehmer mit Traubenzucker auf.
    Am Anfang lief alles bestens. Doch als die Lokalmatadoren der Yakuza Wind davon bekamen, beschlossen sie, Masao umzulegen. Er musste einen Schutzengel gehabt haben, als er in jener regnerischen Nacht über den Coal-Harbour-Pier in Vancouverschlenderte. Der Schuss, der
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