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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale
Autoren: D Thomas
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mich. Wieso kommst du ausgerechnet jetzt damit?«
    »War nur ’ne Frage, vergiss es«, antwortete Geoffrey mit dem gleichgültigsten Gesicht der Welt. Er war sich seines Sieges sicher.
    Auch wenn er es nie allzu deutlich zu zeigen versuchte, Geoffrey war verrückt nach dieser Frau mit der trotzig gewölbten Nase und den Dutzenden von Sommersprossen auf den Wangen. Geoffrey hatte sie gezählt, es waren genau siebenunddreißig, die sich unter ihren bernsteinfarbenen Augen gruppierten. Augen waren das, einfach unbeschreiblich ... Warm und feurig konnten sie sein, als ob sie das Leuchten von Leahs wallendem kastanienfarbenem Haar zu übertrumpfen trachteten. Dann wieder schimmerten sie wie Opal, melancholisch und geheimnisvoll. Im Moment strahlten sie geradezu voller Unternehmungslust. Ein gutes Zeichen.
    Natürlich kannte Geoffrey Leahs Antipathie gegenüber McGregor, die noch aus der Zeit stammte, als sie für den Wirtschaftsteil der ›Washington Post‹ Kolumnen schrieb. McGregors Fähigkeit, andere zu hintergehen und schamlos auszubeuten, war, so vermutete Geoffrey, der Grund für Leahs Aversion. Wie er damals den Leuten mit seinen Fonds das Geld aus der Tasche gezogen hatte, das gehörte schon zu den gepfeffertsten Mythender Wall Street. Doch das war’s dann auch. Hätte Geoffrey mehr über die Hintergründe gewusst, ja, hätte er nur im Entferntesten geahnt, was damals tatsächlich vorgefallen war, er wäre der Letzte gewesen, Leah auf den Iren anzusetzen.
    B eladen mit Deli-Sandwiches und Caffè Latte, versuchte Nick die Tür zu öffnen, was ihm mit Madeleines Hilfe schließlich gelang. Nick vermutete bereits, worauf das Ganze hinauslaufen würde, und der Gedanke beflügelte ihn, während er sich zu den anderen gesellte. Endlich näherte sich die Chance zu beweisen, was er wirklich draufhatte, und den lästigen Habitus des Laufburschen und Mädchens für alles endgültig abzustreifen.
    »Was, wenn ich drauf eingehe?«, tastete sich Leah weiter vor.
    »Was, wenn es mit der Reise nach Cape Canaveral doch klappt?«, wollte Geoffrey von Leah wissen.
    »Keine Ahnung, sag du’s mir.«
    Nervös rutschte Nick auf seinem Stuhl hin und her, er spürte deutlich, wie sein großer Augenblick näher rückte – jetzt bloß versuchen, nicht zu gierig zu klingen.
    »Im Notfall übernehm ich das.« Bloß nicht zu schnell voranpreschen. »Natürlich nur, wenn’s dir den Rücken frei macht, ist doch klar.« Klug eingefädelt, dachte Nick, doch Leahs ironischer Blick belehrte ihn schnell eines Besseren.
    »Also, was weißt du noch darüber?«, erkundigte sich Leah weiter.
    »Nun ja, er rückt sein Schiff nicht raus.«
    »Aber er hat den Prozess doch verloren?«
    »Kümmert ihn einen Dreck«, erwiderte Geoffrey. »Solange McGregor keinen Hafen anläuft, in dem ein Vollstreckungsbescheid auf ihn wartet, passiert ihm gar nichts.«
    »Mit anderen Worten: Er kassiert Spendengelder für einelächerliche Zwei-Mann-Organisation zur Rettung der Wale, und keiner kontrolliert, wohin die Kohle fließt?«
    »Eben. Bisher hat sich niemand die Mühe gemacht, ihn unter die Lupe zu nehmen. Die Frage ist, wie viel Geld bekommt er tatsächlich und wo geht das alles hin.«
    Es überraschte Geoffrey nicht im Geringsten, nun genau das zu hören, was er von Anfang an von Leah zu hören erwartet hatte: »Ich brauch mehr Material, Nick, kümmerst du dich darum?« Geoffrey kannte seine Pappenheimer.
    D ie Kamera mit dem Megazoom an die Augen gepresst, lehnte Masao an der Reling der »SeaSpirit« und versuchte, etwas von dem Schauspiel mitzubekommen, das da draußen vor sich ging. Es war nicht das erste Mal, dass er damit beschäftigt war, David McGregors Begegnung mit einem Wal festzuhalten. Masao hatte inzwischen vier Filme durch den Apparat gejagt, doch er bezweifelte, dass sich etwas Brauchbares darunter befand. Mit dem Tele war es schon unter normalen Umständen schwierig, Bilder von bewegten Objekten einzufangen. Allein die Erschütterung durch ein Niesen ließ den Blick gleich um hundert Meter in eine andere Richtung schießen, und schon konnte man mit der Zielsuche von vorne beginnen. Hinzu kam, dass sich nicht nur das Objekt bewegte, sondern auch die Planken, auf denen er stand. Wenn man als an Wellen gewöhnter Mensch schon glaubte, man hätte festen Boden unter den Füßen, belehrte einen das hüpfende Motiv im Sucher eines Besseren. Das einzige Mal, dass er auf einem Schiff wirklich Übelkeit verspürt hatte, war beim Anblick des schwindenden
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