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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Autoren: Zeruya Shalev
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verfingen sich die Krümel. Ich habe immer Angst davor gehabt, weinte sie, und jetzt ist es noch viel schlimmer, als ich gedacht habe, und ich sagte, warte, bevor du anfängst zu trauern, komm, suchen wir ihn erst, und ich begann im Haus herumzukriechen, unter dem Bett zu suchen, in den Schränken, und dabei plärrte ich wie eine Idiotin, Tulja, Tulja, als würde ich in dem Maß, in dem ich mich anstrengte, ihn zu suchen, meine Schuld sühnen, denn schließlich hätte ich ihn nach Hause zurückbringen müssen oder ihn wenigstens von der Straße entfernen, also kroch ich dickköpfig weiter, mit Staubflocken bedeckt, als hätte ich mich als Schaf verkleidet, und verfluchte den Moment, in dem ich mich entschlossen hatte, zu ihr zu gehen, warum bin ich nicht geradewegs nach Hause gegangen, was hatte ich ihr eigentlich so dringend zu erzählen, und ich kroch herum, bis mir die Knie weh taten, und ich sagte, genug, komm, suchen wir ihn draußen.
    Als wir hinausgingen, hängte sie sich bei mir ein, ihr kleiner Körper war hart, und sie flüsterte, danke, daß du mit mir gehst, ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte, ihre Worte befestigten meine Schuld mit spitzen Reißnägeln an mir, und wir liefen durch die kleinen Straßen rechts und links von der Hauptstraße und schrien Tulja, Tulja, und jedesmal, wenn eine Katze aus einem Mülleimer sprang, packte sie meine Hand und ließ sie dann enttäuscht wieder los, und schließlich hatten wir keine Wahl mehr und näherten uns langsam, sehr langsam, der Hauptstraße, und sie sagte, schau du nach, ich kann nicht, und ich suchte zwischen den hellen kalten Straßenlaternen, ein bösartiges Augenpaar nach dem anderen, und ich sah nichts, so schnell war er entfernt worden, dieser große, verwöhnte, vertrauensvolle Körper mit den langen Schnurrhaaren, die immer ein eingebildetes und trotzdem so reales Lächeln verbargen.
    Das zeigt mir, wie einsam ich bin, sagte Schira, als wir auf der Bank vor dem Haus saßen, du hast Glück, daß du nicht allein bist, und ich fühlte mich unbehaglich, wie immer, wenn sie dieses Thema anschnitt, denn sie hatte Joni vor mir gekannt, und immer hatte ich geglaubt, daß sie in ihn verliebt war, ich hatte ihr also sowohl ihn als auch den Kater weggenommen. Jetzt würde ich nicht mehr zum Spaß sagen können, nimm Joni und gib mir den Kater, wie ich es manchmal getan hatte, wenn Tulja sich an mich schmiegte und mich an alle Katzen erinnerte, die ich im Leben geliebt hatte, schon immer kam ich besser mit Katzen aus als mit Männern, aber Joni wollte keine Katze in der Wohnung, seiner Meinung nach ging so etwas nie gut aus, und siehe da, er hatte recht, aber was ging überhaupt gut aus? Mein Gewissen bedrückte mich so, daß mir das Atmen schwerfiel, und da kam die Nachbarin aus dem Stockwerk darüber mit Müll aus dem Haus, und Schira fragte sie, haben Sie vielleicht Tulja gesehen, und die Nachbarin sagte, ich glaube, ich habe ihn vor ein, zwei Stunden gesehen, er ist hinter einer großen jungen Frau mit langen Locken hergelaufen, und ihre Hände, die versuchten, die Größe der jungen Frau und die Länge ihrer Locken zu beschreiben, hielten plötzlich vor mir inne, und ich bereute, daß ich mich nicht umgezogen oder wenigstens die Haare zusammengebunden hatte, und Schira schaute mich an, und die Nachbarin schaute mich an, und ich sagte, nein, nicht ich, ich war heute nicht hier, ich war bei meinen Eltern, ich schwör’s, ich bin dort hängengeblieben, weil jemand mit einem schrecklichen Gesicht bei ihnen war, und die Nachbarin sagte, jedenfalls hat sich eine Frau, die Ihnen ähnlich sieht, hier herumgetrieben, und die Katze ist ihr nachgelaufen, Richtung Straße. Ich habe gehört, daß heute hier eine Katze überfahren worden ist, murmelte Schira, und die Nachbarin sagte, davon weiß ich nichts, und betrat das Gebäude, ließ mich allein mit ihr, und ich sagte, Schira, wirklich, ich hätte es dir doch gesagt, und sie unterbrach mich mit kalter Stimme, es ist mir egal, was war, ich möchte nur meinen Kater. Er wird zurückkommen, sagte ich flehend, du wirst sehen, bis morgen früh ist er wieder da, und sie sagte, ich bin müde, Ja’ara, ich möchte schlafen, und wieder zitterte ihre Stimme, wie soll ich ohne ihn schlafen, ich bin daran gewöhnt, mit ihm zu schlafen, sein Schnurren beruhigt mich, und ich sagte, dann bleibe ich eben bei dir und schnurre wie eine Katze, und sie sagte, genug, hör auf, du mußt zu Joni zurück, sie sorgte sich immer
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