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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Autoren: Zeruya Shalev
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an, laß gut sein, Schlomo, was spielt das für eine Rolle, und ich wurde ganz nervös, warum sagte er ihm nicht, daß das Foto bei ihm war, und woher wußte er, daß ich es nicht sagen würde, wie zwei Betrüger beobachteten wir die geschäftige Sucherei, bis ich es nicht mehr aushielt und aufstand, Joni wartet zu Hause auf mich, sagte ich noch einmal, als wäre das die Losung, das rettende Wort, das mich befreien würde. Schade, sagte mein Vater bedauernd, ich wollte dir zeigen, wie wir damals aussahen, und der Gast sagte, sie braucht das nicht, auch du brauchst das nicht, und ich sagte, stimmt, obwohl ich gern gewußt hätte, wie sein dunkles, scharfes Gesicht früher ausgesehen hatte, und mein Vater begleitete mich hinkend zur Tür und flüsterte, na, sie ist nicht wirklich krank, stimmt’s, sie verstellt sich nur, nicht wahr? Und ich sagte, wieso denn, sie ist wirklich krank, du mußt den Arzt rufen.
    Die Treppe vor dem Haus war mit glatten Blättern bedeckt, die schon anfingen zu faulen, ich trat vorsichtig auf das langsam gärende Zeug, wobei ich mich am kalten Geländer festhielt, noch gestern hatte es unter meinen Händen gebrannt, aber heute hatte der Chamsin aufgehört, und vom Himmel tröpfelte es, ein unverbindliches, herbstliches Tröpfeln, und ich lief hinunter zur Hauptstraße, um diese Uhrzeit schalteten die Autofahrer die Lichter ein, und alle Autos sahen gleich aus, auch die Fußgänger waren einander ähnlich, ich mischte mich unter sie, schließlich waren wir alle grau in diesem Dämmerlicht, meine Mutter, die sich in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen hatte, mein Vater, der sich in die Rauchschwaden seines Jugendfreundes hüllte, und Joni, der zu Hause auf mich wartete, gähnend vor Müdigkeit am Computer sitzend, und Schira, die nicht weit von hier wohnte, gleich hier in der Seitenstraße, ich stand schon fast vor ihrem Haus und hatte Lust nachzusehen, ob sie daheim war. Mir schien, als hätte ich ihr viel zu erzählen, obwohl wir erst heute mittag miteinander gesprochen hatten, in der Universität, und ich klingelte, aber es kam keine Antwort, doch ich gab nicht auf, vielleicht war sie unter der Dusche oder auf dem Klo, ich versuchte es hinten, vom Hof aus, klopfte an die Scheiben, bis ich ein Maunzen hörte und Tulja durch das angelehnte Küchenfenster zu mir herauskam, Schiras Kater, er hatte wohl die Nase voll davon, den ganzen Tag allein zu sein, und ich streichelte ihn, bis er schnurrte, seinen grauen Schwanz in die Höhe streckte, das Streicheln beruhigte mich ein bißchen, ihn auch, er legte sich neben meine Füße und schien einzuschlafen, aber nein, sein gereckter Schwanz begleitete mich, als ich den Hof verließ und durch die dämmrige Gasse ging, die einzige Straßenlaterne, die sie beleuchtete, flackerte einen Moment und ging dann aus.
    Tulja, geh weg, sagte ich zu ihm, Schira kommt bald nach Hause, aber er beharrte darauf, mich zu begleiten, wie ein übertrieben höflicher Gastgeber, und ich dachte daran, wie mein Vater jetzt seinen Gast begleitete, sich an ihn klammernd wie an eine süße Erinnerung, und mir schien, als würden sie vor mir die Straße überqueren, mein Vater mit kurzen, schnellen Schritten, seine dünnen Glieder wurden von der Dunkelheit verschluckt, und neben ihm, mit wilden Schritten, der Gast, sein bronzefarbenes Gesicht hart und aggressiv, die silbergrauen Haare aufleuchtend, und ich rannte ihnen nach, hinter mir das Maunzen des Katers, ich trat nach ihm, hau ab, Tulja, geh schon nach Hause, und überquerte die Straße, plötzlich quietschende Bremsen, ein leichter Schlag, eine sich öffnende Autotür, und jemand schrie, wem gehört diese Katze? Wem gehört diese Katze, und eine andere Stimme sagte, das ist schon egal, was spielt das für eine Rolle?
    Ich rannte weg, wagte nicht, mich umzudrehen, sah vor mir meinen Vater und seinen Gast gehen, dicht nebeneinander, Arm in Arm, der Kopf meines Vaters rieb sich an der breiten Schulter, aber nein, sie waren es nicht, als ich sie einholte, sah ich, daß es ein Paar war, ein Mann und eine Frau, nicht mehr jung, aber ihre Liebe war vermutlich jung, und ich stolperte die lärmende Straße hinunter zu unserer Siedlung, der Schweiß rann an mir herunter wie das Blut von dem Kater, das in einem kräftigen Strahl hinter mir die Straße herunterlief, und ich wußte, daß es immer weiter fließen und erst vor unserer Haustür zum Stehen kommen würde.
    Was ist passiert, Wühlmäuschen, fragte er, das Gesicht erhitzt, den
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