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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Autoren: Zeruya Shalev
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der geraden schönen Nase, die sie mir vererbt hat, darunter spannten sich bitter die blassen Lippen, die allmählich immer leerer wurden, als würden sie von innen aufgesaugt.
    Was hat er in Frankreich gemacht, fragte ich, und sie sagte, was er überall macht, eigentlich gar nichts. Papa ist überzeugt, daß er im Auftrag des Geheimdienstes dort war, aber meiner Meinung nach hat er auf Kosten seiner reichen Frau gelebt, einfach ein Habenichts, der Geld geheiratet hat, und jetzt kommt er her und gibt mit den europäischen Manieren an, die er sich angeeignet hat, und ich sah, daß ihre Augen am Spiegel an der Wand gegenüber hingen und zusahen, wie die Worte aus ihrem Mund kamen, schmutzig, vergiftet, und wieder dachte ich, wer weiß, was sie nicht alles über mich sagen würde, ein Gefühl der Erstickung überfiel mich, und ich sagte, ich muß gehen, und sie stieß aus, noch nicht, versuchte mich festzuhalten, so, wie sie es bei ihm versucht hatte, bleib bei mir, bis er geht, und ich fragte, warum, und sie sagte achselzuckend, wie ein verstocktes Kind, ich weiß nicht.
    Der scharfe Geruch französischer Zigaretten drang aus dem Wohnzimmer, und mein Vater, der niemals erlaubt hatte, daß jemand in seiner Gegenwart rauchte, hockte, in Rauchschwaden gehüllt, auf dem Sofa, und auf seinem weichen Sessel räkelte sich sein Gast, gelassen und selbstzufrieden, und sah zu, wie ich näher kam. Erinnerst du dich an Ja’ara, sagte mein Vater fast flehend, und der Gast sagte, ich erinnere mich an sie als Baby, ich hätte sie nicht wiedererkannt, und erhob sich mit erstaunlicher Geschmeidigkeit und streckte mir eine schöne Hand entgegen, mit dunklen Fingern, lächelte spöttisch und sagte zu mir, erwartest du immer das Schlimmste? Er erklärte meinem Vater, als sie mich an der Tür gesehen hat, hat sie mich angesehen, als hätte ich euch beide umgebracht und sie wäre als nächste an der Reihe, und ich sagte, stimmt, und meine Hand fiel herab, schwer und überrascht, wie die Hand eines Menschen, der gerade ohnmächtig wird, denn er ließ sie ganz plötzlich los, bevor ich damit gerechnet hatte, und setzte sich wieder in den Sessel, seine dunkelgrauen Augen musterten mein Gesicht, ich versuchte, mich hinter meinen Haaren zu verstecken, setzte mich ihm gegenüber und sagte zu meinem Vater, ich habe es eilig, Joni wartet zu Hause auf mich. Wie geht es deiner Mutter, fragte der Gast, seine Stimme war tief, und ich sagte, nicht so gut, ein schiefes Lächeln entschlüpfte mir, wie immer, wenn ich log, und mein Vater sah mich mit glänzenden Augen an, du weißt, daß wir zusammen studiert haben, als wir jung waren, sagte er, jünger als du, wir haben sogar eine Zeitlang zusammen gewohnt, aber die Augen des Gastes glänzten nicht, als seien seine Erinnerungen längst nicht so begeisternd, und mein Vater ließ nicht locker, warte einen Moment, er erhob sich vom Sofa, ich muß dir ein Bild von uns zeigen, wie immer weckte die Vergangenheit eine ungeheure Erregung in ihm.
    Man hörte ihn im Nebenzimmer suchen, Schubladen wurden aufgerissen, Bücher auf den Boden gelegt, die Geräusche überdeckten unser unangenehmes, erstickendes Schweigen, und der Gast steckte sich wieder eine Zigarette an, unternahm nicht einmal den Versuch einer Unterhaltung, betrachtete mich mit seinem Blick, der Hochmut, Herausforderung und zugleich Gleichgültigkeit ausdrückte, seine Anwesenheit füllte das Zimmer aus, und ich versuchte, ihm mit einem strahlenden Blick zu antworten, aber meine Augen blieben gesenkt, wagten es nicht, an den geöffneten Knöpfen seines kurzen Hemdes hochzuklettern, eines Hemdes, das eine braune glatte Brust freilegte, sie senkten sich tiefer, zu seinen fast lächerlich glänzenden spitzen Schuhen, dazwischen eine große schwarze Tüte, auf der mit Goldbuchstaben stand: Das linke Ufer, Pariser Moden, ich unterdrückte ein Grinsen, die Koketterie, die darin lag, verwirrte mich, sie paßte nicht zu seinem konventionellen Gesichtsausdruck, und das Grinsen blieb mir im Hals stecken, ich hustete verlegen, suchte nach etwas, was ich sagen könnte, und am Schluß sagte ich, er findet es bestimmt nicht, er findet nie etwas.
    Er wird es nicht finden, weil das Foto bei mir ist, bestätigte der Gast flüsternd, und genau in dem Moment war ein Krachen zu hören, dann ein Fluch, und mein Vater kam hinkend ins Zimmer zurück, mit der Schublade, die ihm auf den Fuß gefallen war, wo kann es nur sein, dieses Foto, und der Gast blickte ihn spöttisch
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