Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
vorhin war mir zu neugierig, er hatte die Ohren gespitzt.
    Das meine ich nicht.
    Du mußt es doch verstanden haben. Ich kann nicht mit dir leben.
    Ich erwarte nicht viel, sagte ich.
    Vorbei, sagte sie.
    Was, verdammt noch mal, soll vorbei sein?! Du hast doch noch gar nicht angefangen.
    Doch, habe ich.
    Es wird dir vielleicht nie wieder passieren, daß ein Mann dich so begehrt wie ich. Das weißt du doch.
    |373| Ja, das weiß ich, sagte sie.
    Aber es ist dir egal.
    Wir haben die eine oder andere Nacht zusammen verbracht. Ich wollte es, und es war schön. Mehr empfinde ich nicht für dich.
    Keine Liebe, flüsterte ich.
    Keine Liebe, sagte sie, und dann drehte sie sich um und ging davon, und ich ließ das Mobiltelefon wieder lange läuten, ich
     trat aus dem Heckengarten heraus, stieg die Treppen hoch, deren Steingeländer nackte dicke Engelkinder zierten, und ich stolperte
     und fiel fast auf die Sphinx-Statue, ein Frauenkopf ohne Pupillen, ein Löwenkörper, dem Adlerflügel entwuchsen, ich verließ
     den Park durch dasselbe Tor, durch das ich mit ihr eingetreten war, ich lief an der Mauer entlang den Weg zurück, und als
     ich vor der Karlskirche stand, blickte ich blind auf die unteren Reliefbänder der Triumphsäulen zu beiden Seiten des Eingangs,
     ich betrat die Kirche, die zu Ehren eines Pestheiligen erbaut wurde, fuhr mit dem Lift fünfunddreißig Meter hoch, um die Fresken
     in der Kuppel zu sehen, ein vor Verzückung rot angelaufener, fast kahlköpfiger Erzbischof starrte zum Wunder hoch über den
     Wolken, ihn umschwirrten Heilige und Geschöpfe aller Ränge, man sollte nichts aus der Nähe schauen, man wird nur enttäuscht,
     hatte Tyra im Anblick des Stephanusdoms gesagt, wann war das gewesen, ich wußte es nicht mehr, ich fuhr mit dem Lift hinunter,
     ich ließ die Touristen und die Gläubigen staunen und vor Staunen stöhnen, Gold und Prunk und unheilige Höhe, das alles hatte
     mit mir nichts zu tun, natürlich war Tyra verschwunden, und es würde auch keinen weiteren Zufall mehr geben, der sie und mich
     zusammenführte.
     
    Nachts im Hotelzimmer träumte mir, ich stünde im hüfthohen Blutbecken, ich tunkte meine Fingerspitzen |374| in das Blut, und etwas schaute mich an, es war hinter meinem Rücken, und ich konnte es nicht entdecken, ich schrak auf und
     aß die Schokolade, von der Tyra ein Stück abgebissen hatte, sie war dann aber sofort ins Bad gelaufen, um es auszuspucken,
     vom Geschmack der Zartbitterschokolade wurde ihr übel, und ich kaute und kaute in der Dunkelheit und bekam schlechte Laune,
     weil mir der alberne Traum nachhing, ich zog mich an, kämmte mir vor dem Zimmerspiegel die Haare und stieg die Treppen hinunter,
     die Rezeption war unbesetzt, ich trat ins Freie, die Nacht war kalt, und ein leichter Nieselregen ging nieder, ich bog um
     die Ecke und sah Gabriel und Elisabeth unter der heruntergerollten Markise der Absinthbar sitzen, sie baten mich an ihren
     Tisch, wie selbstverständlich lösten sie sich voneinander und bestellten für mich ein großes Glas Zitronenwasser, der Barbesitzer
     stritt sich mit seiner slawischen Freundin.
    Nicht gut gelaufen, stellte Gabriel fest.
    Nein. Es ist zu Ende.
    In welche Stadt verschlägt es sie diesmal? Hongkong oder Bratislava, rief Elisabeth.
    Unwahrscheinlich, sagte ich, wahrscheinlich bleibt sie in Wien.
    Und du?
    Ich werde sie in Ruhe lassen.
    Ich bleibe erst mal hier, sagte Gabriel, sie hat mich noch nicht satt. Was wirst du also tun?
    Die Kopfschmerzen wegschlafen, sagte ich, morgen die Zotteln im Haar auskämmen … und bald hier rauskommen.
    Also keine großen Pläne, sagte Elisabeth, das ist gut. Napp hat die Stadt schon verlassen. Ein nachtragender Gläubiger ist
     hinter ihm her. Sein Maoismus taugt nix.
    |375| Ja, sagte ich.
    Willst du nicht rangehen? sagte Elisabeth.
    Ich weiß nicht.
    Lass’ es nicht ewig klingeln, sagte Gabriel.
    Ich sah die Luftbläschen im Zitronenwasser aufsteigen und an der Oberfläche zerplatzen, ich folgte mit dem Finger ihrem Weg
     und hinterließ im Kondenswasser einen Strich vom Boden bis zum Trinkrand, dann stand ich auf, machte ein paar Schritte zur
     Seite und drückte auf die grüne Taste meines Mobiltelefons.
    Ja?
    Hallo, sagte sie.
    Du bist um diese späte Stunde wach.
    Du auch, sagte sie.
    Kannst du nicht schlafen?
    Nein.
    Wie ist das Wetter dort? sagte ich.
    Nicht schön und nicht häßlich.
    Hier ist Wetterwechsel.
    Hier nicht.
    Liegst du schon im Bett?
    Nein, sagte sie, ich habe einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher