Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
die Frau, für die ich weiterleben wollte, nahm meine Liebe nicht an, ich ging langsam auf die Terrasse einer Bar zu, und
     die Kellnerin, die gerade einen Tisch abräumte, verzog bei meinem Anblick das Gesicht, Männer mit ungeknöpften Hemden verhießen
     nichts Gutes, doch ich räusperte mich nur und bestellte ein großes Glas Zitronenwasser, sie sollte nicht glauben, daß ich
     alkoholisiert war, und kaum daß ich saß, knöpfte ich mich zu. Eine große Wolkenwand, giftgelb erleuchtet von Blitzen, schob
     sich über die Dächer und zog ostwärts und gab einen glimmend blauen Himmel frei, ich trank in der nächsten halben Stunde Schluck
     um Schluck und starrte hoch, und weil ich mich an ihr rächen wollte, schaute ich in Ausschnitte und auf nackte Beine, ich
     war der einzige Mann, der allein an einem Tisch saß, und die Frauen in Sommerkleidern |363| ließen den Blick schweifen, ihre schönen Hälse glänzten im Licht der dicken Kerzenstumpen unter den Glashauben, fremde Frauen
     in fremden Städten waren eine große Verlockung.
     
    Sie nahm auf dem Stuhl mir gegenüber Platz, ihr Haar war naß, wahrscheinlich hatte sie sich mit Brunnenwasser frisch gemacht,
     und auch auf ihrem leicht geschminkten Gesicht war ein dünner Wasserfilm, sie bestellte einen Longdrink und ließ die wenigen
     Minuten vergehen, die die anderen Gäste brauchten, um die Neuhinzugekommenen zu mustern und das Interesse an ihr zu verlieren.
    Jetzt bin ich dir hinterhergelaufen, sagte sie.
    Nicht das erste Mal, sagte ich, in Prag ist es auch passiert.
    Das war davor.
    Wovor?
    Bevor ich anfing, Kirchen zu besuchen.
    Vor Neapel, sagte ich.
    Neapel hat es ausgelöst, sagte sie, die alten Frauen im Gebet haben es ausgelöst.
    Und jetzt bist du ein anderer Mensch.
    Ich bin eine andere Frau. Gleich, aber anders.
    Was liegt näher, als Nonne zu werden, sagte ich.
    Du verspottest mich.
    Das tue ich tatsächlich, sagte ich, ich verstehe es und es widert mich an.
    Diese Frau in Prag, die Frau, mit der ich dich gesehen habe …
    Jarmila. Was ist mit ihr?
    Sie ist ganz anders als ich.
    Die Kellnerin nahm ihr leeres Glas und stellte ihr ein volles Glas hin, und als sie mich fragend ansah, schüttelte ich den
     Kopf, sie war eine schöne Frau, fast alle Frauen |364| an den Tischen waren schön, und die Männer gaben sich große Mühe, sie erzählten von Abenteuern, die sie nicht erlebt hatten,
     sie versuchten, nicht in den Augen der Frauen zu versinken, sie tranken und blieben doch nüchtern, weil sie sich nicht gehenlassen
     durften.
    Die Kellnerin hat dich leicht berührt, sagte ich.
    Ja, und?
    In der gehobenen Gastronomie berühren die Kellner die Schulter des Gastes, denn sie können dann sicher sein, daß sie ein höheres
     Trinkgeld bekommen.
    Ich habe kein Geld mit.
    Natürlich lade ich dich ein, sagte ich, und ich denke auch an das Trinkgeld.
    Ich bin nach Salzburg gefahren, sagte sie, ich stieg auf den Mönchsberg, da ist ein Turm, von dem die Lebensmüden herunterspringen,
     wenn sie unten auf der Felsplatte aufschlagen, sind sie sofort tot, ein kurzer Schmerz, und es ist vorbei. Ich bin kein Selbstmörder.
     Ich darf das nicht tun.
    Nein, sagte ich.
    Dann bin ich über die Brücke auf das andere Ufer der Salzach gegangen. Ich saß im Café Bazar direkt am Fluß und habe Marillenknödel
     mit Butterbröseln gegessen. Zwei Portionen.
    Das Kondenswasser tropfte von ihrem fast ausgeleertem Longdrinkglas auf ihren Rock, doch es kümmerte sie nicht, und sie bestellte
     noch ein Glas, und ich bestellte Zitronenwasser, und je mehr sie trank, desto weniger scherte mich die Wertschätzung der Kellnerin,
     ich knöpfte das Hemd auf und strich mir mit einem Eiswürfel über die Brust und den Bauch, und Tyra ließ einen kleinen Eiswürfel
     in ihrem Ausschnitt verschwinden, und bald blühte ein Wasserfleck auf dem Stoff zwischen ihren Brüsten auf, die Frauen an
     den Nebentischen, die sich mit der Getränkekarte Luft zufächelten, warfen verstohlene |365| Blicke auf mich, ein Mann mit einer derartigen Brustbehaarung sollte sich nicht öffentlich entblößen, ich wußte, daß sie es
     dachten, aber ich war nicht laut und betrunken, ich führte mit einer Neuerweckten ein zivilisiertes Gespräch.
    Du solltest dich einmal in der Woche rasieren, sagte Tyra kichernd.
    Nein, sagte ich.
    Du wohnst doch in der Nähe.
    Am Ende der Straße.
    Ich bin leicht beschwipst, sagte Tyra, aber auch sonst wäre ich heute nacht zu dir mitgekommen.
    Es ist keine Luxussuite,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher