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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer
Autoren: dtv
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wie der Weihnachtsmann aussehen, ich hätte einen schwarzen Schnurrbart und die gleichen
     Löcher in den Socken wie ihr Papa.
    |263| Dabei bin ich bestimmt die beste Nachbildung von unserem Ururopa, die es je gab. (Bitte entschuldige, wenn ich vor lauter
     Aufregung nicht immer die gleiche Anzahl von »Ur«s vor den Opa schreiben kann). Deshalb blieb mir in diesem Jahr nichts anderes
     übrig, als so einen Trittbrettfahrer-Weihnachtsmann zu bestellen. Aber es musste natürlich ein Türke sein, genau wie mein
     Ururopa.
    »Wollen Sie einen männlichen oder weiblichen Weihnachtsmann?«, hat mich die Dame von der Ideenklauer-Agentur ziemlich frech
     gefragt.
    »Werden Sie bloß nicht unverschämt, meine Dame, mein Urururopa war genauso ein richtiger Mann wie ich«, habe ich sie natürlich
     sofort zurechtgewiesen.
    »Schön für Ihren Urururopa! Aber wollen Sie nun einen weiblichen oder männlichen Weihnachtsmann?«, fragte sie mich erneut,
     völlig ohne Feingefühl.
    »Männlichen natürlich!«, brüllte ich in den Apparat. »Dick oder dünn?«, war die nächste dämliche Frage.
    »Dick natürlich!«, brüllte ich wieder zurück.»Türkische Weihnachtsmänner müssen immer dick und fett sein!«
    »Wir haben aber keine türkischen Weihnachtsmänner, nicht mal einen einzigen«, meinte sie plötzlich.
    Na, lieber Onkel Ömer, hab ich Dir nicht gesagt, dass das alles bloß billige Kopien von unserem guten alten Uropa sind? Die
     wollen einen Türken nachspielen, haben aber für diese schwierige Rolle nichts als deutsche Weicheier eingestellt!
    »Womöglich haben alle ihre Weihnachtsmänner blonde Haare, blaue Augen und sind lang wie eine Bohnenstange, nicht wahr?«, habe
     ich sie bei so großer Respektlosigkeit angeschrien.
    |264| »Ja, das stimmt, so ziemlich alle«, meinte sie ganz ruhig.
    »Habe ich etwa blonde Haare, habe ich etwa blaue Augen, war mein Ururururopa in Myra etwa lang wie eine Bohnenstange?«, rief
     ich ganz schön böse.
    »Mein Herr, Ihre Augen, Ihre Haare und Ihr Ururopa interessieren mich herzlich wenig. Ich will nur wissen, wollen Sie nun
     einen Weihnachtsmann oder nicht?«, sagte sie abweisend. Diese Frau war das beste Beispiel für unsere Sörviswüste Deutschland!
    »Haben Sie denn wirklich keinen einzigen türkischen Weihnachtsmann im Angebot?«, flehte ich sie beinahe an.
    »Nein, keinen türkischen. Als Ausländer kann ich Ihnen nur einen Italiener, einen Portugiesen, einen Ukrainer und einen Chinesen
     anbieten. Der Chinese ist am preisgünstigsten«, war die lapidare Antwort.
    »Ist das alles?«, fragte ich verzweifelt.
    »Halt! Einen Eskimo kann ich Ihnen auch noch anbieten. Der ist aber etwas teurer, weil er mit einem original Weihnachtsmann-Schlitten
     angerauscht kommt«, sagte sie.
    »Original Weihnachtsmann-Schlitten, dass ich nicht lache, das ist doch nur ein Werbegäg«, habe ich zynisch gelacht. »Der Mann
     ist doch ein Betrüger! Mein Urururopa hat doch nie einen Schlitten gehabt. In Antalya schneit es doch nie! Wenn euer Eskimo
     eine Badehose anhätte, dann wäre er viel glaubwürdiger.«
    »Weihnachtsmänner in Badehosen kriegen Sie nur in Australien«, versuchte sie mich zum Auswandern zu animieren.
    »Okäy, dann bestelle ich eben in Australien! Tschüß«, sagte ich und wollte schon aufhängen.
    »Halt, halt, warten Sie, wenn Sie unbedingt wollen, |265| versuche ich für Sie einen türkischen Weihnachtsmann mit dickem Schnurrbart aufzutreiben«, kam sie endlich zur Vernunft.
    Für diesen Urururopa-Ersatz musste ich auch noch 50 Euro hinblättern, die Geschenke vor die Tür ins Treppenhaus stellen, damit
     er so tun konnte, als wären sie von ihm, und ein kleines Geschenk für den Weihnachtsmann wäre auch sehr nett, wurde ich dann
     noch von ihr belehrt.
     
    Lieber Onkel Ömer, obwohl wir nach all den Jahren hier in Alamanya schon so einige sehr erfolgreiche Weihnachtsfeiern absolviert
     haben und auf diesem Gebiet inzwischen ziemlich erfahren und was die Besinnlichkeit angeht sogar echte Vollprofis sind, war
     ich dieses Jahr zu Weihnachten trotzdem ganz schön aufgeregt, als ich unseren riesigen Tannenbaum zum Leuchten brachte.
    Ich hatte wieder extra eine Woche vor Weihnachten Urlaub genommen, um den teuren Tannenbaum richtig anständig zu schmücken,
     so wie es sich gehört.Der war unter dem vielen Lametta, den Kerzen, Zimtsternen, Christbaumkugeln und verschiedenfarbigen
     Glöckchen fast nicht mehr zu sehen. Unter dem Tannenbaum habe ich eine hübsche Holzkrippe
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