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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer
Autoren: dtv
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iss genug Knoblauch und danke fünfmal am Tag Allah, dass Du genau an dem Tag geboren
     wurdest, als unser Dorf einen neuen Imam bekam. Dank unserer religiösen Regierungspartei werdet Ihr |254| nämlich schon seit Jahren sowohl mit inländischen als auch mit saudi-arabischen Imamen nur so zugeschüttet – aber leider nicht
     mit Schnee!
    In der Türkei haben wir eine Niederschlagswahrscheinlichkeit von fünf Imamen pro Quadratmeter, aber null Schneeflocken im
     Jahr!
     
    Dein Dich über alles liebender Neffe aus dem verschneiten Alamanya

    PS: Lieber Onkel Ömer, auch wenn ich keinen richtigen Geburtstag habe, ich bin trotzdem der glücklichste Mensch in ganz Alamanya.
     Endlich ist das Rätsel gelöst. Im Grunde meines Herzens habe ich es ja schon immer gewusst: Die Ulviyanim (Ümmüyanim) ist
     eine sehr, sehr nette und gute Frau. Wie alle guten Frauen wurde sie leider mit einem schlechten Schicksal ausgestattet. Die
     arme Frau hat mir heute unter Tränen erzählt, dass sie vor einem Jahr in der Türkei einen Deutschling geheiratet hat und ihm
     nach Stuttgart gefolgt ist, aber dass ihr Ehemann sich nach ein paar Tagen als Tyrann rausgestellt hat. Der konnte überhaupt
     nicht damit umgehen, dass sie gebildeter war als er, und hat ihr das Leben in Deutschland zur Hölle gemacht, das Arschloch!
     Obwohl sie nur wegen ihm ihr Studium aufgegeben hat.
    Sie flüchtete ins Frauenhaus. Weil ihr Ehemann sie dort auch nicht in Ruhe ließ und sie in Deutschland keinen einzigen Verwandten
     oder Bekannten hatte, brachte man sie ins Bremer Frauenhaus. Dort waren alle misshandelten Frauen |255| Deutsche, die kein Wort Türkisch konnten. Außerdem hatte sie Angst, dass ihr Mann alle Frauenhäuser in Deutschland abklappern
     und sie aufspüren könnte. Zum Glück traf sie dort auf meine feministische Tochter Nermin, die sie mit zu uns nach Hause nahm.
     Und am gleichen Tag hat meine Frau sie regelrecht adoptiert.
    Ach, noch was: Eminanim ist doch keine Ärztin, das mit dem gemeinsamen Medizinstudium war nur als Ausrede für mich gedacht,
     damit ich in Halle 4 oder im Männercafé nicht alles ausplaudern würde.
    Jetzt hat die nette Ulviyanim (Ümmüyanim) einen neuen Pass mit einer neuen Identität bekommen und vor einer Woche eine kleine
     Wohnung mit zwei Zimmern. Sie kommt uns fast jeden Tag besuchen.
    »Siehst du, Osman, selbst ein Medizinstudium schützt die armen Frauen nicht vor brutaler Männergewalt!«, sagte Eminanim gestern.
    »Ja! In diesem Fall wäre ein Karatestudium viel besser gewesen«, antwortete ich.
    Lieber Onkel Ömer, endlich kann ich wieder gut schlafen! Gute Nacht!

Weihnachten
    Mein lieber Onkel Ömer,
     
    wie geht es Dir, und wie geht es meiner lieben Tante Ülkü? Wie geht’s der hübschen Kuh Pembe, wie geht’s der schwarz gepunkteten
     Ziege Fatima, wie geht’s Deinem störrischen Esel Tarzan, und wie geht’s unserem guten alten Dorfvorsteher Hüsnü?
     
    Lieber Onkel Ömer, wir beide wissen, dass Du keine Ahnung hast, an welchem Tag Du wirklich Geburtstag hast, aber Du weißt
     ganz genau, wann der Prophet Jesus geboren wurde: richtig, exakt zu Weihnachten!
    Und der erste Weihnachtstag ist seit zweitausend Jahren bei allen Christen immer wieder genau der 25. Dezember.
    Wir Türken haben ja im Gegenzug den Ramadan im Kalender. Auch unser religiöses Fest verdankt seinen Ursprung, genau wie das
     Weihnachtsfest, einem Propheten. Aber der Unterschied ist der: Das Ramadanfest, das in einem Jahr, sagen wir mal, am 12. Oktober
     gefeiert wird, kann zwanzig Jahre später irgendwann im Sommer stattfinden – zum Beispiel am 23. Juni! Sogar schon im nächsten
     Jahr wird Ramadan mit Sicherheit ein völlig anderes Datum haben. Um die Leute richtig zu irritieren und völlig fertigzumachen,
     kann es sogar in ein und demselben Jahr gleich an zwei verschiedenen Terminen stattfinden. |257| Bei einer Sorte Moslems am 27. März, bei der anderen Sorte am 28. März – oder auch umgekehrt! Für Dich mag das alles ja normal
     sein, aber ich bin schon so lange in Alamanya, mich bringt dieses Durcheinander völlig durcheinander!
     
    Lieber Onkel Ömer, von der Bedeutung her mag das Ramadanfest ja so was Ähnliches wie das Weihnachtsfest sein. Aber die Planung
     des Ramadan ist sehr orientalisch, und allein deshalb sind die beiden Feste auf keinen Fall miteinander vergleichbar. Jedes
     Jahr ziehe ich immer wieder anerkennend meinen Hut vor dem großen Organisationstalent der Deutschen. Es verschlägt mir
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