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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer
Autoren: dtv
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Nähe von Antalya! Dieser Türke ist möglicherweise unser URURUR-OPA!
    Lieber Onkel Ömer, dass der liebe Weihnachtsmann, auch bekannt unter seinem Künstlernamen »Nikolaus«, der schon seit über
     zweitausend Jahren alle Kinder auf der Welt glücklich macht, unser Ururururopa ist, lässt mich vor Freude und Stolz erzittern,
     aber wirklich überraschen tut es mich in keinster Weise! Denn dass die Deutschen auch für diese Drecksarbeit schon damals
     einen Türken eingestellt haben, ist doch mehr als logisch! Welcher bequeme Deutsche würde denn schon solche Schindereien und
     Strapazen auf sich nehmen? Stell Dir vor, unser armer Ururopa muss jährlich vierhundert Millionen Kinder auf der ganzen Welt
     besuchen! Die jüdischen, buddhistischen, moslemischen und hinduistischen Kinder sind noch nicht mal mitgezählt. Für all diese
     gierigen Blagen muss er tonnenweise Geschenke in die Häuser schleppen. Und als ob das nicht schon genug wäre, bestehen einige
     unverschämte Kinder sogar darauf, dass er durch den Schornstein zu ihnen kommen soll. Und dieses unglaubliche logistische
     Wunder muss er zu allem Überfluss auch noch mit einem lächerlichen, klapprigen Schlitten und ein paar ausgehungerten Rentieren
     bewältigen. Er darf nicht mal einen Ford-Transit benutzen!
    |261| Lieber Onkel Ömer, stell Dir das mal vor: Mit vor Kälte bibbernden Tieren über die Autobahn zuckeln, dann rein in die Stadt,
     irgendwo parken, raus aus dem Schlitten, rauf auf das Haus, durch den Schornstein runterklettern, die Geschenke verteilen,
     sich geduldig die blöden Gedichte von dämlichen Kindern anhören, die ungesündesten Knabbereien vertilgen, wieder raus auf
     die Straße, rauf auf den Schlitten, die Rentiere haben sich inzwischen den Hintern abgefroren, wieder rauf auf die Autobahn,
     neue Stadt, neues Haus, mit tonnenschweren Säcken auf dem Rücken über total vereiste Dächer klettern, rein in den Schornstein,
     runterfallen lassen und sich einen Meniskusschaden und einen doppelten Beckenbruch einhandeln, um sich dann auch noch von
     den frechen Bengels anmachen zu lassen, dass die Pläystäischen nicht die allerneueste Version ist. Welcher Irre tut sich so
     eine Wahnsinns-Tortur schon gerne freiwillig an, frage ich Dich!
     
    Dir brauche ich ja nichts vorzumachen, Du weißt viel besser als ich, dass kein einziger Türke Lust hat, oder vorhat, oder
     überhaupt in der Lage ist, seine Arbeit tausendprozentig zu erledigen. Unser Urururururopa bildet da leider keine Ausnahme,
     wobei ich bei ihm vollstes Verständnis habe – allein wegen seines hohen Alters und unserer gemeinsamen Gene! Deswegen wurde
     in Alamanya diese Marktlücke von findigen Geschäftsleuten sofort erkannt, und es wurden mit der Zeit sehr viele Subunternehmen
     gegründet, die diese wundervolle Idee unseres Urururururopas geklaut und den brutalen Mechanismen des Kapitalismus angepasst
     haben. Diese Leute ziehen nun die gleichen Klamotten an wie unser Ururopa,lassen sich einen |262| genauso langen weißen Bart wachsen wie er und besuchen die Familien, die unser Urururururopa teils aus Zeitmangel, teils aus
     Nachlässigkeit und teils wegen der gebrochenen Hüfte leider nicht besuchen kann, und überreichen dann deren Kindern Geschenke.
    Und jetzt kommt der eigentliche Witz oder vielmehr der kapitalistische Ernst der Geschichte: Man muss diese Ideenklauer, diese
     Nachahmer, diese Trittbrettfahrer im Gegensatz zu unserem selbstlosen Opa auch noch aus eigener Tasche dafür bezahlen, dass
     sie den Kindern die Geschenke übergeben! Und der ultimative Hammer-Witz ist: Die Geschenke, die diese Möchtegern-Weihnachtsmänner
     den Kindern überreichen, muss man vorher selber kaufen und diesen Gaunern in die Hände drücken.
     
    Lieber Onkel Ömer, unser Urururururopa besucht meine Familie leider zu Weihnachten auch nicht. Er besucht hauptsächlich die
     Deutschen, der Schleimer … öhm … ich meine, das muss er ja auch, weil er sich arbeitsvertraglich zuerst um die Christen kümmern
     muss. Deshalb habe ich mich in den letzten Jahren selber als mein Urururururopa verkleidet, aber nicht mal die kleine Hatice
     fällt mittlerweile auf diesen Trick herein. Als sie mich das letzte Jahr mit meinem roten Umhang und dem langen weißen Bart
     sah, hüpfte sie wie ein durchgedrehter Frosch durch die Gegend und kreischte:
    »Du bist nicht der Weihnachtsmann, du bist nicht der Weihnachtsmann, du Lügner! Du bist der Papa«!
    Sie meinte, ich würde überhaupt nicht
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