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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer
Autoren: dtv
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Absteige von Antalya landen, dafür landeten wir dann |10| pünktlich zum Jahreswechsel auf dem Bremer Polizeirevier in der Stadtmitte.
    Letztes Jahr hatte ich gute alte Bekannte weit draußen auf dem Land besucht und denen somit meinen Respekt entgegengebracht,
     in der Hoffnung, dass ich im neuen Jahr ausnahmsweise auch mal respektiert werde, wenigstens von meinen Kindern. Bei meiner
     Frau mache ich mir schon lange keine Hoffnungen mehr!
    Um 23 Uhr war ich von dem älteren Paar weggefahren, um vor Mitternacht zu Hause zu sein. Eminanim hatte viele hübsche Freundinnen
     zur Silvesterfeier eingeladen. Die Aussicht, die kommenden 365 Tage in Gegenwart schöner Frauen zu verbringen, war natürlich
     sehr verlockend. Ich trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch! Mein tiefergelegter 68er-Ford-Transit legte sich in die Kurven
     wie eine Formel-1-Maschine. Auf der einsamen Landstraße raste ich mit 63,5 km/h durch die winterliche Nacht.
    Und prompt landete ich in einer Verkehrskontrolle. Die Straße war voll abgesperrt, und mehrere Polizeiautos mit Blaulicht
     standen quer. War ja klar, dass die Bullen am Silvesterabend nach Alkoholsündern Ausschau halten würden. In Sekundenschnelle
     überschlug ich, was ich an dem Abend getrunken hatte. Über ein Dutzend Tassen Tee. Ob sich so viel Tee im Geschwindigkeitsrausch
     in Alkohol verwandeln würde, wusste ich nicht!
    Es waren nur noch dreißig Minuten bis Mitternacht. Ich fuhr langsam an die Polizeisperre heran und bekam einen Schock! Ein
     Toter! Knapp zwei Meter vor mir lag ein toter Mensch mitten auf der Fahrbahn. Alles war voll Blut! Ein grauenhafter Unfall
     war passiert. Ein roter BMW hatte sich um einen Baum gewickelt.
    |11| Es waren nur noch sechsundzwanzig Minuten bis zum neuen Jahr.
    »Hallo, dürfte ich bitte vorbeifahren? Ich werde dringend zu Hause erwartet«, rief ich einem der vielen Polizisten zu, aber
     der schaute mich nicht mal an. Die waren gerade dabei, die Spuren zu sichern. Der Notarztwagen war noch nicht da, aber dafür
     zwei Kameratiims vom Privatfernsehen.
    Bei Allah, mit gutem Essen und schönen Frauen wollte ich das neue Jahr beginnen, aber stattdessen musste ich neben einem toten
     BMW-Fahrer ausharren. Was wollte das Schicksal mir damit sagen? Würde ich das ganze Jahr über mit Toten zu tun haben? Oder
     würde ich bald ziemlich respektabel selbst den Löffel abgeben?
    »Bitte, bitte, Herr Polizist, lassen Sie mich vorbeifahren!«, flehte ich einen der Beamten durch das Seitenfenster an, »ich
     werde auch ganz vorsichtig dran vorbeifahren. Bei dem Mann kann ich sowieso nicht mehr viel falsch machen. Die Leiche ist
     ohnehin schon tot!«
    Für eine Sekunde hatte ich sogar das Gefühl, dass selbst der Tote mich erhört hatte, aber diese gnadenlosen Männer in Uniform
     nicht.
    Sie beachteten mich gar nicht und liefen einem Rettungswagen entgegen, der mit großem Gejaule aus der anderen Richtung kam.
    Ich saß wie auf glühenden Kohlen und hatte nur noch sechzehn Minuten, um mir meinen Harem fürs kommende Jahr zu sichern! Aber
     die Zeit verging, und ich hockte zusammen mit einem Toten auf der B278. Es war zum Verrücktwerden: Wegen ein paar halbstarken
     Bauernburschen, die mit ihrem zwei Tage alten Führerschein nachts besoffen |12| in die Landdisko rasen, durfte ich am Silvesterabend mitten auf der Straße Totenwache halten.
    Die Glocken der Dorfkirchen ringsum fingen an zu läuten. Wir hatten also bereits Mitternacht. Die Knallerei über der Stadt
     hatte ihren Höhepunkt erreicht. Genau in dem Moment haben auch einige der Polizisten die Sektkorken knallen lassen. So abgebrüht
     wollte ich auch mal sein, auf das Wohl einer frischen Leiche zu trinken. Und dann konnte ich meinen Augen nicht mehr trauen:
     Ich war einer Ohnmacht nahe, als ich sah, dass sie sogar die Leiche mit ihrer guten Laune angesteckt hatten! Der Kerl stand
     seelenruhig auf und schnappte sich zwei Sektgläser. Blutverschmiert torkelte er auf mich zu, drückte mir ein Sektglas in die
     Hand und sagte gut gelaunt:
    »Mann, Sie haben aber toll mitgespielt! Danke!«
    »Wie, was habe ich gespielt?«, stotterte ich, am ganzen Körper zitternd. Bis dahin hatte ich noch nie mit einem echten Zombie
     gesprochen.
    »Mein Herr, wir wollten unter möglichst realistischen Bedingungen einen Verkehrsunfall am Silvesterabend nachstellen. Vielen
     Dank für Ihre Mitarbeit und übrigens frohes neues Jahr«, kicherte er und küsste mich auf die Wangen. Ich zitterte vor Wut
     wie ein
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