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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer
Autoren: dtv
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geklappt hat. Ich schwebte
     wie ein Vogel im siebten Himmel.
    Meine Frau macht sich offenbar große Sorgen, dass Mehmet nie heiraten wird und kein Interesse daran zeigt, sie mit nichtsnutzigen
     Enkeln zu versorgen. Was anderes wird der faule Kommunist wohl kaum in die Welt setzen. Eminanim muss sich unglaubliche Sorgen
     machen, wenn sie sogar mir recht gibt! Aber mein Dasein als Vogel dauerte nicht lange, und ich plumpste wieder unsanft auf
     meine Nase, als sie sagte:
    »Ist ja auch kein Wunder, Mehmet ist ja dein Sohn!«
     
    Mein lieber Onkel Ömer, das war ja klar! So sind die Frauen! Ich hätte mich auch gewundert, wenn ich ausnahmsweise mal aus
     einem Streit ohne Schuld hervorgegangen wäre. Ich habe versucht, sie daran zu erinnern, dass ich seit dreißig Jahren keine
     andere Frau angeschaut habe:
    »Eminanim«, habe ich gesagt, »du weißt, dass ich noch nie eine andere Blume als dich …«
    |29| »Du hast nur nicht so oft die Gelegenheit wie Mehmet«, unterbrach sie mich sofort.
    »Hört auf, hört auf, streitet euch wenigstens nicht am Valentinstag«,rettete mich Mehmet vor seiner Mutter und erzählte dann,
     dass er seine Freundin Katja um 19 Uhr ins Café Engel eingeladen hat. Dort hätten sie sich damals vor drei Monaten kennengelernt,
     das würde vielleicht helfen, ihre Beziehung wieder etwas aufzufrischen. Dann verschwand er und hinterließ mir einen großen
     Trümmerhaufen.
    Musste dieser Idiot denn gerade im Beisein seiner Mutter den Valentinstag erwähnen? Der war mir bis dahin nämlich total entfallen!
     Aber bevor ich einen neuen Anschiss riskierte, reagierte ich schnell und rief:
    »Eminanim, mein Liebling, ich lade dich selbstverständlich auch ins Café Engel ein.«
    »Warum? Sonst sagst du doch immer, dass wir zu Hause genug Kaffee haben«, sagte sie zu Recht stutzig.
    »Erstens, weil heute doch Valentinstag ist«, tat ich gönnerhaft.
    »Weshalb noch?«, fragte sie überrascht.
    »Zweitens, weil du ja auch ein Engel bist«, schleimte ich, ohne rot zu werden.
    »Und drittens?«, fragte sie ungläubig.
    »Damit wir beide Mehmets aktuelle Freundin Katja in Augenschein nehmen können. Ich bin gespannt, welches tapfere Mädchen ihn
     ganze drei Monate aushält«, rückte ich dann mit der Wahrheit raus. Ich war nämlich wirklich sehr gespannt auf das Mädchen.
     Eminanim sprang auf der Stelle auf und sagte:
    »Oh ja, los, Osman, zieh dich sofort an. Ich mach mich auch ganz schnell fertig.«
    |30| Lieber Onkel Ömer, glaube mir, ich habe noch nie gesehen, dass sich Eminanim so schnell zurechtgemacht hat. Vielleicht war
     sie ja auch noch nicht ganz fertig. Ich kapiere den Unterschied sowieso nicht! Auf jeden Fall rief sie bereits nach einer
     Stunde aufgeregt:
    »Wir können gehen, Osman, komm doch endlich! Wo bleibst du denn? Immer muss ich auf dich warten!«
    Sie muss neugieriger gewesen sein als ich, so überstürzt, wie sie sich zurechtgemacht hat!
     
    Also waren wir gestern am Valentinstag bereits um 18 Uhr im Café Engel.
    Das Café war proppenvoll. Eine Viertelstunde lang haben wir uns am Tresen die Beine in den Bauch gestanden, bevor wir zwei
     Stühle ganz hinten in der Ecke ergattern konnten. Eminanim zeigte mir ständig irgendwelche Mädchen und fragte mich, ob das
     wohl unsere zukünftige Schwiegertochter sein könnte. Aber keines der jungen Mädels erweckte den Eindruck, dass sie einen Vielschwätzer
     wie Mehmet drei Monate lang überleben würde.
    Mehmet, der Pascha, kam erst um halb acht. Ganze dreißig Minuten lang hatte er das Mädchen warten lassen – und uns auch! Er
     guckte sich ein Mal um und ging zu einem Tisch, an dem ein junges, hübsches Pärchen eng umschlungen saß. Sein Gesicht hatte
     sich blitzschnell verfinstert.
    »Eminanim, ich glaube, diese Frau hat ihm gerade erzählt, dass Katja gar nicht kommt«, flüsterte ich meiner Frau voll böser
     Vorahnungen zu.
    »Ich glaube vielmehr, dass diese Frau Katja ist«, murmelte sie nachdenklich.
    |31| »Mehmeet, halloo, Mehmeet, hier sind wir«, rief ich ihm zu. Er guckte völlig benommen und drängelte sich mit hochrotem Kopf
     zu uns rüber.
    »Was ist denn los, kommt Katja etwa nicht?«, fragte ich neugierig.
    »Das war Katja. Sie hat genau an der gleichen Stelle, wo wir uns kennengelernt haben, gerade einen anderen Kerl gefunden«,
     schluchzte Mehmet und stolperte wie ein geprügelter Hund heulend aus dem Café.
    Ich hatte ihn noch nie in so einem Zustand gesehen.
    »Na, hab ich nicht recht gehabt?«, sagte
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