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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer
Autoren: dtv
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wie geht’s unserem guten alten Dorfvorsteher Hüsnü?
     
    Lieber Onkel Ömer, weißt Du, was ein sogenannter Valentinstag ist?
    Wenn Du nicht weißt, was das für ein Tag ist, dann sei froh!
    Wenn meine Tante Ülkü es auch nicht weiß, dann umso besser!
    Also, die fleißigen Deutschen haben nicht nur den Mercedes, den BMW und den schönen Ford-Transit erfunden, sondern leider
     auch den 14. Februar, den Valentinstag. Ein geschäftstüchtiger Herr namens Karl Valentin, der entweder einen Blumenladen,
     ein Juweliergeschäft oder ein Café besaß, hat ihn vor vielen Jahren kalt lächelnd erfunden, um uns Männer zu schröpfen. Denn
     außer diesen drei Blutsaugern hat kein Mensch was davon – nur die Frauen!
    Ich sehe es schon förmlich vor mir, Du kratzt Dich die ganze Zeit am Kopf und fragst Dich:
    |26| »Was opfert man an so einem hohen Feiertag? Schafe, Ziegen oder Kamele?«
    Nichts von alledem – nur die Geldbörse der Männer!
    Man muss an diesem Tag nämlich die Frauen ausführen, für sie Blumen kaufen und manchmal sogar Schmuck. Ich sag’s Dir, lieber
     Onkel, das ist schlimmer als Muttertag und Frauentag zusammen – aber dazu später mehr, ich will Dich ja nicht komplett verwirren!
    Also: Mein Sohn Mehmet hat uns gestern, an diesem unheilvollen Valentinstag, erzählt, er und seine aktuelle Freundin Katja
     seien schon »schrecklich lange« zusammen. Natürlich nach Mehmets Zeitrechnung. Nämlich genau drei Monate! Deswegen würde es
     zwischen den beiden nicht mehr so rund laufen wie am Anfang.
    Den ganzen Tag jammerte Mehmet und fluchte traurig vor sich hin:
    »Dieser verflixte dritte Monat, verdammt!«
    Ich habe daraufhin kurz überschlagen, wie viele dritte Monate ich mit meiner Frau Eminanim schon hinter mir habe? Und Du erst
     mit Tante Ülkü, nicht wahr, lieber Onkel Ömer. Na ja, auf jeden Fall haben wir schon sehr viele dritte Monate auf unserem
     Buckel. Wenn ich in Mathematik so gut wäre, dass ich das jetzt ganz schnell ausrechnen könnte, dann wäre ich vermutlich nicht
     mehr in Halle 4.
    Ich habe Mehmet gefragt, ob seine Freundin etwa auch so einen komischen Affen-Appetit hat wie er.
    Der Kommunist wusste nicht mal, was Affen-Appetit ist, dabei tut er immer so, als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen,
     ach was sage ich denn da – literweise getrunken.
    |27| »Was für ’n Ding?«, nuschelte er und guckte doof aus der Wäsche.
    Die Jugend von heute tut immer so neunmalklug, lässt sich von niemandem was sagen, hat aber eigentlich von nichts ’ne Ahnung.
    »Ich frage, ob deine Freundin Katja auch so chronisch unzufrieden ist wie du und ständig auf der Suche nach was Neuem?«, erklärte
     ich es ihm.
    »Vater, was soll das denn heißen? Ich hab doch keinen Affen-Appetit. Drei Monate sind schließlich kein Pappenstiel, wie du
     weißt«, meckerte er.
    »Ja, ja, das weiß ich. Mir machen drei Monate Nachtschicht ja auch jedes Mal zu schaffen«, sagte ich ihm. Aber drei Monate
     ununterbrochen arbeiten ist für ihn noch unvorstellbarer als drei Monate mit ein und derselben Frau zusammen zu sein.
    »Weiß Katja denn, dass du sie nicht mehr liebst?«, fragte Eminanim ihn so klar und eindeutig, dass selbst Mehmet es kapieren
     musste.
    »Mutter, es ist ja nicht so, dass ich sie gar nicht mehr liebe. Andererseits haben andere Mütter auch hübsche Töchter«, meinte
     der Kasanova trocken.
    »Liebst du sie nun oder nicht?«, bohrte Eminanim nach.
    »Öhm … eh … was soll ich dazu sagen, Sigmund Freud meint …«, versuchte er sich herauszureden.
    »Mehmet, was deine durchgeknallten Freunde aus der Disko sagen, interessiert uns nicht! Deine Mutter will wissen, was du selber
     meinst!«, habe ich ihn gedrängt, endlich mit der Wahrheit rauszurücken.
    »Tja, was soll ich da sagen, Liebe ist halt ein ausgesprochen dehnbarer Begriff …«, sagte er wichtigtuerisch.
    |28| »Frau, frag ihn doch lieber, ob er überhaupt weiß, was Liebe ist. Ich glaube, er verwechselt das mit einem Kaugummi«, sagte
     ich zu meiner Frau Eminanim und lachte höhnisch über meinen missratenen Sohn.
    »Das glaube ich langsam auch«, sagte Eminanim, »das erklärt auch seinen hohen Konsum von Kaugummi.«
    »Und Gummi«, habe ich ergänzt – öhm, entschuldige, Onkel Ömer.
    Andererseits habe ich mich natürlich riesig gefreut. Wann haben meine Frau und ich es denn schon mal geschafft, einer Meinung
     zu sein? Das muss mindestens fünfundzwanzig Jahre her sein! Umso mehr freute ich mich, dass es gestern
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