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Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Titel: Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn
Autoren: Sergio Bambaren
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sich Deine Bestimmung erfüllen wird. Du erfreust Dich an dem, was das Leben Dir schenkt, und genießt jeden Tag.
    Brich Deinen Widerstand und sieh der Wirklichkeit ins Gesicht – nur so wird Dir die Reise zu einem erfüllten Leben gelingen, in dem Du alles Gute, was noch immer in Dir ist, nutzen und all das, was heilbar ist, wiederherstellen kannst. Dazu musst Du Dich aber so annehmen, wie Du bist.
    Dann fühlst Du Dich wie neugeboren, Du genießt das Leben, den Augenblick, Du überwindest jede Not auf dem Weg zu Deinem Frieden. Du akzeptierst diese manchmal schmerzliche Welt, wie sie ist, und fragst nicht, wie Du sie haben willst. Der Glaube an Gott – oder wie Du Ihn auch nennen magst – wird alles richten, wenn Du Dich Seinem Willen beugst. So wirst Du nicht nur in diesem Leben glücklich sein, sondern auch im nächsten Leben das höchste, ewige Glück finden.
    Sei also bitte vorsichtig, Daniel. Drogen und Alkohol scheinen das Leid und den Kummer des Lebens zu mildern, aber damit riskierst Du, alles zu zerstören. Lebe lieber mit dem Schmerz und stelle Dich ihm. Die Zeit heilt die Wunden Deines Herzens.
    Ich war in der Hölle. Dorthin sollst Du mir nie folgen. Der Schmerz ist unerträglich, mein Sohn.

XIII
    So ging also mein Leben ein paar Jahre lang weiter.
    Wenn ich heute auf diese graue, sinnlose Zeit in meiner Existenz zurückblicke, auf ein Leben, für das ich nicht bestimmt war, umgeben von Menschen, die mir zu meinen »großartigen Erfolgen« gratulierten, dann fühlte ich mich einsamer und verlorener denn je. Ich hatte den wahren Sinn meines Lebens völlig aus den Augen verloren.
    Ich kann niemandem die Schuld geben, es war allein mein Fehler. Ich hatte mich ins Hamsterrad begeben und wurde ein Teil des Kreislaufs. Wellenreiten, Sonnenuntergänge zu genießen oder einfach stehen zu bleiben und einen Kolibri zu beobachten war »unwichtig« geworden, das hatte ich schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr getan. Ich war in meinem goldenen Käfig gefangen wie ein Vogel mit gestutzten Flügeln, ich tat Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr das Gleiche.
     
    Ich bin das lebende Beispiel für einen Menschen, der am Boden lag, der verloren war und in seinem tiefen schwarzen Loch noch immer gegen den Sturm ankämpfte und der sich dann doch noch, als nichts mehr möglich schien, in einem lichten Moment aus der Not rettete, in die er sich selbst gebracht hatte.
     

    Es geschah, als ich in einem Wolkenkratzer in Singapur einen Vertrag abschloss. Wahrscheinlich haben wir alle bestimmte Erinnerungen, die für immer in unserem Gedächtnis gespeichert bleiben. Immer wenn ich an diese wenigen Minuten denke oder darüber spreche, wie sich mein Leben wieder zum Besseren gewendet hat, meine ich, es sei erst heute Morgen und nicht schon vor über zehn Jahren gewesen. Ich kann noch immer die gute, saubere Luft in dem Hotel riechen, sehe noch immer die Farbe an den Wänden des Zimmers. Das Ganze läuft vor meinem geistigen Auge ab wie ein Film:
    Ich befinde mich im 22. Stockwerk eines Bürohauses in der Innenstadt von Singapur. Ich bin für eine Woche in die Stadt gekommen, hauptsächlich um einen Vertrag abzuschließen, an dem ich über ein Jahr lang gearbeitet habe. Nachdem ich meine Präsentation fertiggestellt und alle Unterlagen vorbereitet habe, sitzen wir zusammen am Tisch, unsere Firmenanwälte neben mir, uns gegenüber die Anwälte des Kunden, eines Magnaten aus Indonesien. Wir unterzeichnen den Vertrag, den unsere Rechtsabteilung noch einmal vollständig überarbeitet hat, und wenn wir uns vergewissert haben, dass alles in Ordnung ist, kann die Sitzung in einer halben Stunde vorbei sein.
    Ich stehe auf, gehe um den Tisch herum, um allen zu danken, und plötzlich passiert es. Als ich zu meinem Stuhl zurückgehe, blicke ich zufällig aus dem Fenster des verglasten Hochhauses. Ich sehe das Meer, wie es bis zum Horizont reicht, und mich überkommt aus meinem tiefsten Inneren ein Gefühl, das ich schon seit Jahren nicht mehr hatte. Ich höre eine Stimme, leise, aber dennoch deutlich, sie kommt aus meinem Herzen:
    »Was stellst du mit deinem Leben an, Sergio?«
    »Wer spricht da?«
    »Du selbst. Dein wahres Selbst. Das Kind, das mit sieben Jahren zum ersten Mal auf einem Surfbrett stand.«
    Ich schwitze. Ich löse meine Krawatte. Ich bekomme keine Luft mehr. (Später werde ich erfahren, dass ich eine Panikattacke hatte.)
    Ich muss hier raus, der Raum scheint sich zusammenzuziehen, enger, voller zu
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