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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition)
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Heidis Taufe bekommen hatte, und als sie schließlich im Kinderwagen saß, war sie erneut voller Vorfreude. Vanja war ernst und still, hielt die Goldschuhe in der einen Hand und das Geschenk in der anderen, aber wenn sie sich zu uns umdrehte, um etwas zu sagen, tat sie es mit einem Lächeln auf den Lippen. Neben ihr saß Heidi und war eifrig und fröhlich, denn auch wenn sie nicht
begriff, wohin wir unterwegs waren, mussten ihr die Kleider und die Vorbereitungen doch einen Anhaltspunkt dafür gegeben haben, dass etwas nicht ganz Alltägliches bevorstand. Die Wohnung, in der Stellas Kindergeburtstag gefeiert werden sollte, lag ein paar hundert Meter die Straße hinauf, in der wir wohnten. Diese war erfüllt von Bewegungen, die späten Samstagnachmittagen in der Stadt vorbehalten sind, wenn sich die letzten Einkaufenden mit ihren Tüten mit Jugendlichen mischen, die ins Zentrum gezogen sind, um vor Burger King und McDonald’s herumzuhängen, und der Strom der vorbeigleitenden Autos nicht mehr rein funktional ist, Familien zugehörig, die auf dem Weg aus dem oder ins Parkhaus sind, sondern immer mehr von diesen tiefer gelegten, schwarzen und glänzenden Autos dominiert, in deren Karosserie der Bass wummert und in denen männliche Einwanderer zwischen zwanzig und dreißig am Steuer sitzen. Vor dem Supermarkt standen so viele Menschen, dass wir einen Augenblick Halt machen mussten, und als die alte, bis auf die Knochen abgemagerte und verlebte Frau, die dort um diese Uhrzeit stets in ihrem Rollstuhl saß, Vanja und Heidi erblickte, beugte sie sich zu ihnen vor und betätigte die Klingel, die an einem Stock hing, während sie in einer Weise lächelte, die sie selbst sicher als kinderlieb empfand, die auf die beiden jedoch furchteinflößend wirken musste. Sie sagten jedoch nichts, sahen die Frau nur an. Jenseits der Eingangstür saß ein Drogensüchtiger in meinem Alter mit einer Kappe in der ausgestreckten Hand. Neben sich hatte er einen Käfig mit einer Katze, und als Vanja sie sah, drehte sie sich zu uns um.
    »Wenn wir aufs Land ziehen, bekomme ich eine Katze«, sagte sie.
    »Katze!«, sagte Heidi und zeigte.
    Ich lenkte den Kinderwagen über die Bürgersteigkante auf die Straße, um an den drei Menschen vorbeizukommen, die
so verdammt langsam schlenderten und anscheinend dachten, dass ihnen der Bürgersteig alleine gehörte, ging ein paar Meter möglichst schnell und lenkte ihn wieder zurück, als wir sie überholt hatten.
    »Das kann aber noch ziemlich lange dauern, Vanja«, meinte ich.
    »In einer Wohnung kann man keine Katze haben«, sagte sie.
    »Stimmt«, sagte Linda.
    Vanja drehte sich wieder nach vorn. Sie drückte mit beiden Händen die Tüte mit dem Geschenk.
    Ich sah Linda an.
    »Wie hieß der Vater von Stella nochmal?«
    »Oh je, der Name fällt mir gerade nicht ein…«, sagte sie. »Doch, Erik, hieß er nicht Erik?«
    »Du hast Recht«, erwiderte ich. »Was machte er noch beruflich?«
    »Da bin ich mir nicht sicher«, sagte sie. »Aber es hatte irgendwie mit Design zu tun.«
    Wir gingen am Süßigkeitenladen vorbei, und Vanja und Heidi lehnten sich beide vor, um durchs Fenster zu schauen. Direkt daneben stand ein Pfandleihhaus. Im wiederum nächsten Geschäft wurden kleine Statuen und Schmuckstücke, Engel und Buddhas und darüber hinaus Räucherstäbchen, Tee, Seifen und anderer esoterischer Nippes verkauft. In den Fenstern hingen Plakate, die darüber informierten, wann Yoga-Gurus und bekannte Medien in die Stadt kommen würden. Auf der anderen Straßenseite lag ein Kleidergeschäft für Billigmarken, Ricco Jeans and Clothings, »Mode für die ganze Familie«, daneben TABOO, eine Art »erotischer« Laden, der mit Dildos und Puppen mit unterschiedlichen Negligées und korsettartiger Unterwäsche im Schaufenster in der Türnische, von der Straße nicht einsehbar, warb. Neben diesem lag dann
Bergmans Taschen und Hüte, dessen Einrichtung und Sortiment sich seit der Eröffnung irgendwann in den vierziger Jahren nicht mehr verändert haben dürfte, sowie das Geschäft Radio City, das kürzlich pleite gegangen war, aber weiterhin ein Schaufenster mit leuchtenden Fernsehschirmen, umgeben von den unterschiedlichsten elektronischen Apparaten füllte, wobei die Preise auf großen, fast selbstleuchtenden orangen und grünen Pappschildern standen. Die Regel lautete, je weiter man die Straße hinaufkam, desto billiger und dubioser wurden die Geschäfte. Gleiches galt für die Menschen, die sich dort tummelten. Im
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