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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition)
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Ohren herauskam, weil sie glaubten, es wäre »nahrhaft« und »wohltuend«, aber die einzige Wirkung des Wassers bestand darin, die Zahl junger Inkontinenter im Land in die Höhe schießen zu lassen. Die Kinder aßen Vollkornnudeln und Vollkornbrot und alle möglichen seltsamen, groben Reissorten, die ihre Mägen nicht vollständig verdauen konnten, aber das spielte keine Rolle, denn es war »nahrhaft«, es war »wohltuend«, es war »gesund«. Oh,
sie verwechselten Essen mit Geist, sie dachten, sie könnten sich zu besseren Menschen essen, ohne zu begreifen, dass essen eins ist, die Vorstellungen, die das Essen weckt, etwas anderes. Und sprach man das aus, sagte man etwas in dieser Richtung, war man entweder reaktionär oder bloß ein Norweger, will sagen, ein Mensch, der zehn Jahre zurücklag.
    »Ich will nichts«, sagte Vanja. »Ich habe keinen Hunger.«
    »Gut, dann eben nicht«, sagte ich. »Aber sieh mal hier. Hast du gesehen? Da liegt ein Zug. Wollen wir eine Bahn für ihn bauen?«
    Sie nickte, und wir setzten uns unmittelbar hinter den anderen Kindern auf den Fußboden. Ich begann, Holzschienen in einem Halbkreis aneinanderzulegen und half gleichzeitig Vanja, ihre an die richtigen Stellen zu legen. Heidi war in das andere Zimmer gewechselt, wo sie an den Regalen entlangging und alles musterte, was sich in diesen befand. Wenn die Bewegungen der beiden Jungen wüster wurden, drehte sie sich jedes Mal um und sah sie an.
    Erik legte endlich eine Platte auf und drehte lauter. Klavier, Bass und ein Gewirr von Schlaginstrumenten, wie sie ein bestimmter Typ von Jazzschlagzeugern liebt – die Steine gegeneinander klopfen oder sich anderweitig Materialien in der Umgebung zunutze machen. In meinen Augen war dies manchmal nichts, manchmal lächerlich. Ich hasste es, wenn in Jazzkonzerten applaudiert wurde.
    Erik nickte leicht mit dem Kopf, ehe er sich umdrehte, mir zuzwinkerte und Richtung Küche ging. Im selben Moment klingelte es an der Tür. Es waren Linus und sein Sohn Achilles. Linus, der einen Portionsbeutel Schweden-Tabak unter der Oberlippe hatte, trug eine schwarze Hose und ein dunkles Jackett, darunter ein weißes Hemd. Die blonden Haare waren ein wenig ungeordnet, die Augen, die in die Wohnung schauten, ehrlich und naiv.
    »Hi!«, sagte er. »Wie geht’s, wie steht’s?«
    »Gut«, sagte ich. »Und bei dir?«
    »Es muss.«
    Achilles, der klein war und große, dunkle Augen hatte, zog Jacke und Schuhe aus, während er zu den Kindern hinter mir hinüberstarrte. Kinder sind wie Hunde, sie entdecken immer ihresgleichen in der Menschenmenge. Vanja sah ihn auch an. Er war ihr Liebling, ihn hatte sie auserwählt, Alexanders Rolle zu übernehmen. Als er fertig war, ging er jedoch schnurstracks zu den anderen Kindern, und Vanja konnte nichts tun, um ihn daran zu hindern. Linus schob sich zur Küche, und der lüsterne Ausdruck, den ich in seinen Augen zu erkennen meinte, konnte nur von der Vorfreude darauf herrühren, ein bisschen plaudern zu dürfen.
    Ich stand auf und schaute zu Heidi hinüber. Sie saß neben der Yucca-Palme unter dem Fenster und legte die Erde im Topf in kleinen Haufen auf den Fußboden. Ich ging zu ihr, hob sie hoch, schaufelte möglichst viel Erde mit den Händen zurück und ging in die Küche, um einen Lappen oder etwas Ähnliches zu suchen. Vanja folgte mir. Als wir hereinkamen, kletterte sie auf Lindas Schoß. Im anderen Zimmer fing Heidi an zu weinen. Linda sah mich fragend an.
    »Ich gehe sofort zu ihr«, sagte ich. »Ich muss nur noch etwas zum Aufwischen finden.«
    An der Arbeitsfläche war viel Betrieb, offenbar wurde eine Mahlzeit zubereitet, und statt mich dazwischen zu drängen, ging ich in die Toilette, rollte eine Handvoll Toilettenpapier ab, befeuchtete es unter dem Wasserhahn und kehrte zum Aufwischen ins Zimmer zurück. Heidi, die immer noch weinte, hob ich hoch und trug sie ins Bad, um ihre Hände zu waschen. Zappelnd wand sie sich in meinem Griff.
    »Ist ja gut, hübsches Mädchen«, sagte ich. »Wir sind gleich fertig. Nur noch ein bisschen. So!«
    Als wir wieder herauskamen, versiegten ihre Tränen, aber sie war trotzdem nicht richtig zufrieden und wollte nicht abgesetzt werden, sondern auf meinem Arm bleiben. Im Zimmer stand Robin mit verschränkten Armen und beobachtete seine Tochter Theresa, die nur ein paar Monate älter war als Heidi, aber schon in langen Sätzen sprechen konnte.
    »Und?«, sagte er. »Schreibst du gerade an etwas?«
    »Ja, ein bisschen«, sagte
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