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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition)
Autoren: Karl Ove Knausgård
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an.
    »Willst du dich nicht zu den anderen setzen und mit ihnen spielen?«, sagte ich. »Schau mal, sie spielen mit einem großen Puppenhaus.«
    Sie folgte meiner Aufforderung, setzte sich neben die Kinder, tat jedoch nichts, saß nur da und schaute zu.
    Linda hob Heidi hoch und trug sie in die Küche. Ich folgte ihr. Alle grüßten uns, wir grüßten auch und setzten uns an den langen Tisch, ich ans Fenster. Man unterhielt sich über Billigflieger, wie das, was anfangs ein Schnäppchen war, langsam, aber stetig teurer wurde, weil man eins nach dem anderen zusätzlich buchen musste, bis man schließlich ein Flugticket sein eigen nannte, das genauso viel kostete wie bei teureren Fluggesellschaften. Dann wandte sich das Gespräch dem Emissionshandel zu und danach den neuen Charterzug-Urlaubsreisen, die kürzlich zum ersten Mal angeboten worden waren. Ich hätte sicher etwas sagen können, tat es aber nicht, Konversation gehört zu den zahllosen Dingen, die ich nicht beherrsche, so dass ich wie üblich dasaß und nur zu allem nickte, was gesagt wurde, und lächelte, wenn die anderen lächelten, während ich mich unablässig fortsehnte. An der Arbeitsfläche stand Stellas Mutter Frida und bereitete eine Art Dressing zu. Sie war nicht mehr mit Erik zusammen und obwohl die beiden sich gemeinsam gut um Stella kümmerten, spürte man bei den Vorstandssitzungen im Kindergarten gelegentlich Verbitterung und Gereiztheit zwischen ihnen. Sie war blond, hatte hohe Wangenknochen und schmale Augen, einen ranken, schlanken Körper, und verstand es, sich gut zu kleiden, war jedoch viel zu selbstzufrieden, ruhte zu sehr in sich selbst, um auf mich anziehend zu wirken. Ich habe kein Problem mit uninteressanten oder wenig originellen Menschen, sie
können andere und wichtigere Eigenschaften haben wie etwa Wärme, Fürsorglichkeit, Freundlichkeit, Sinn für Humor und Talente, wie ein Gespräch in Gang bringen, um sich herum Geborgenheit etablieren, eine Familie funktionieren lassen, aber wenn ich mich in der Nähe uninteressanter Menschen aufhalte, die selber überzeugt sind, ungewöhnlich interessant zu sein und damit prahlen, wird mir beinahe körperlich schlecht.
    Sie platzierte die Schüssel mit dem, was ich für ein Dressing gehalten hatte, was sich jedoch als Dip herausstellte, auf einem Tablett, auf dem bereits eine Schüssel mit Möhrenstäben und eine Schüssel mit Gurkenstäben standen. Im selben Moment betrat Vanja das Zimmer. Als sie uns geortet hatte, kam sie zu uns und stellte sich ganz dicht neben uns.
    »Ich will nach Hause«, sagte sie leise.
    »Aber wir sind doch gerade erst gekommen!«, erwiderte ich.
    »Wir bleiben noch ein bisschen«, sagte Linda. »Und guck mal, jetzt bekommt ihr was Süßes!«
    Meinte sie damit das Tablett mit dem Gemüse?
    Offensichtlich.
    In diesem Land hatten sie wirklich nicht alle Tassen im Schrank.
    »Ich gehe mal mit dir«, sagte ich zu Vanja. »Na, komm.«
    »Nimmst du Heidi auch mit?«, fragte Linda.
    Ich nickte und trug sie mit Vanja an meinen Fersen in das Zimmer, in dem die Kinder spielten. Frida folgte uns mit dem Tablett in den Händen. Sie stellte es auf einem kleinen Tisch mitten im Zimmer ab.
    »Hier habt ihr ein bisschen zu essen«, sagte sie, »bevor es nachher Kuchen gibt.«
    Die Kinder, drei Mädchen und ein Junge, spielten immer noch vor dem Puppenhaus. Im zweiten Zimmer liefen zwei
Jungen im Kreis. Dort stand auch Erik, vor der Stereoanlage, und hielt eine CD in der Hand.
    »Ich habe ein paar Platten norwegischen Jazz«, sagte er. »Interessierst du dich für Jazz?«
    »Ja-a …«, sage ich.
    »Norwegen hat eine tolle Jazz-Szene«, meinte er.
    »Wen hast du denn da?«, sagte ich.
    Er zeigte mir das Cover. Es war eine Band, von der ich noch nie gehört hatte.
    »Klasse«, sagte ich.
    Vanja stand hinter Heidi und versuchte, sie hochzuheben. Heidi protestierte.
    »Sie will nicht, Vanja«, sagte ich. »Lass es.«
    Als sie weitermachte, ging ich zu ihnen.
    »Möchtest du keine Möhre?«, sagte ich.
    »Nein«, antwortete Vanja.
    »Aber es gibt einen Dip dazu«, sagte ich, ging zum Tisch, nahm einen Möhrenstab, tunkte ihn in den weißen, wahrscheinlich sahnigen Dip und schob ihn mir in den Mund.
    »Mm«, sagte ich. »Lecker!«
    Warum konnten sie nicht einfach Würstchen, Eis und Limonade bekommen? Lutscher? Götterspeise? Schokoladenpudding?
    Weil es so ein bescheuertes, gottverdammtes Idiotenland war. Alle jungen Frauen tranken Wasser in derart rauen Mengen, dass es ihnen aus den
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