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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition)
Autoren: Karl Ove Knausgård
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er betrachtete sie in etwa so, wie man Maulwürfe oder Igel betrachtet. Ich verstand ihn und mochte ihn. Aber gleichzeitig kam ich mit all dem zu ihm, und eine wirkliche Begegnung war unmöglich. Er hatte in Cambridge und Oxford studiert und jahrelang als Makler in der Londoner Finanzwelt gearbeitet, aber bei einem Abstecher, den er und Vanja auf eine Felsenanhöhe am Meer unternahmen, ließ er sie mehrere Meter vor sich frei herumklettern, während er dastand und die Aussicht bewunderte, ohne zu bedenken, dass sie erst vier war und Gefahren nicht richtig einschätzen konnte, so dass ich mit Heidi auf dem Arm hinaufrennen und übernehmen musste. Als wir uns eine halbe Stunde später in ein Café setzten, ich mit steifen Beinen nach dem eiligen Besteigen des Felsens, und ich ihn bat, John Stücke eines Brötchens zu geben, das ich neben ihn legte, da ich auf Heidi und Vanja aufpassen und ihnen gleichzeitig etwas zu essen besorgen musste,
nickte er bestätigend, faltete die Zeitung, in der er las, jedoch nicht zusammen, schaute überhaupt nicht auf und merkte deshalb nicht, dass John, einen halben Meter von ihm entfernt, immer aufgeregter wurde und schließlich brüllte, bis er rot anlief, weil es ihn frustrierte, dass der Bissen, den er so gerne gehabt hätte, zwar vor seinen Augen, aber außer Reichweite lag. Die Situation machte Linda am anderen Ende des Tisches wütend, das sah ich ihr an, aber sie fraß ihren Ärger in sich hinein, sagte nichts und wartete stattdessen, bis wir draußen und allein waren, woraufhin sie erklärte, dass wir heimfahren würden. Sofort. An ihre Launen gewöhnt, sagte ich ihr, dass sie den Mund halten und solche Entscheidungen nicht treffen solle, wenn sie so verdammt sauer war. Das ließ sie natürlich noch wütender werden, und so machten wir weiter, bis wir am nächsten Morgen im Auto saßen und losfuhren.
    Der weite blaue Himmel und die kleinteilige und windige, aber schöne Landschaft hellten zusammen mit der Freude der Kinder und der Tatsache, dass wir in einem Auto saßen und in keinem Zugabteil oder an Bord eines Flugzeugs, wie sonst, die Stimmung auf, aber es dauerte nicht lange, bis es wieder losging, denn wir mussten etwas essen, und das Restaurant, bei dem wir hielten, gehörte zu einem Jachtclub, aber, so meinte der Kellner zu mir, wir bräuchten nur über die Brücke zu gehen, dann kämen wir in die Stadt, und dort, vielleicht fünfhundert Meter entfernt, liege ein weiteres Restaurant, so dass wir uns zwanzig Minuten später auf einer hohen und schmalen, aber dicht befahrenen Brücke, zwei Kinderwagen mitschleppend, hungrig und nur ein Industriegebiet in Sicht, wiederfanden. Linda war außer sich vor Wut, ihre Augen waren schwarz, immer wieder gerieten wir in solche Situationen, fauchte sie, anderen passiere so etwas nie, wir bekämen nie etwas hin, jetzt wollten wir essen, die ganze Familie, das hätte doch nett werden können, stattdessen gingen wir hier umgeben von vorbeirasenden
Autos und Abgasen auf einer verdammten windgepeitschten Brücke entlang. Hatte ich jemals andere Familien mit drei Kindern so gesehen? Die Straße, der wir folgten, endete an einem Metalltor mit dem Logo einer Sicherheitsfirma. Um in die Stadt zu gelangen, die zu allem Überfluss einen abgewirtschafteten und tristen Eindruck machte, hätten wir in der Industrielandschaft einen Umweg von sicherlich fünfzehn Minuten machen müssen. Ich wollte sie verlassen, weil sie die ganze Zeit meckerte, sie wollte immer etwas anderes haben, tat jedoch selber nie etwas dafür, meckerte nur, meckerte, meckerte, nahm die Dinge niemals, wie sie waren, und wenn die Wirklichkeit nicht ihren Vorstellungen entsprach, machte sie mir in großen wie in kleinen Dingen Vorwürfe. Nun ja, na schön, dann trennen wir uns eben, aber die Logistik vereinte uns wie üblich wieder, denn wir hatten ein Auto und zwei Kinderwagen, so dass man nur so tun konnte, als wäre alles, was man gesagt hatte, doch nicht gesagt worden, um anschließend die fleckigen und klapprigen Wagen über die Brücke und zu dem hübschen Jachtclub zu schieben, sie in den Wagen zu verfrachten und die Kinder anzuschnallen und anschließend zum nächstgelegenen McDonald’s zu fahren, in diesem Fall zu einer Tankstelle nahe der Göteborger Innenstadt, wo ich auf einer Bank saß und meine Wurst aß, während Vanja und Linda im Auto saßen und die ihre verspeisten. John und Heidi schliefen. Den geplanten Abstecher zum Vergnügungspark Liseberg bliesen wir ab,
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