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Liebe mit beschrankter Haftung

Liebe mit beschrankter Haftung

Titel: Liebe mit beschrankter Haftung
Autoren: Voosen Jana
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Tee?« Gemeinsam gehen wir in Richtung Küche.
    »Hast du denn mittlerweile mal einen seiner Anrufe entgegengenommen?«
    »Nein.« Vorwurfsvoll sehe ich sie an. »Ich bin im Moment einfach noch zu wütend«, verteidigt sie sich. »Ich warte besser ab, bis ich mich abgeregt habe, dann kann ich ganz ruhig mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.«
    »Na, wenn du …« … meinst, will ich eigentlich sagen, aber das Wort bleibt mir im Hals stecken, als ich die klaffende Lücke mitten in der Küchenzeile entdecke. »Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Was denn?«
    »Die Waschmaschine«, sage ich wütend. »Er hat die verdammte Waschmaschine mitgenommen.«
    Was denkt der Kerl sich eigentlich dabei? Zugegeben, das Gerät gehört ganz eindeutig ihm, er hat es beim Umzug mitgebracht, aber trotzdem. Hat der eine Ahnung, wie viel Wäsche so ein neugeborenes Baby verschleißt? Wenn ich allein an die ganzen vollgekotzten Spucktücher denke. Und die Lätzchen. Und was da so alles passiert, wenn mal eine Windel überläuft. Nein, eine Mutter ohne Waschmaschine, das geht einfach nicht. Und zwei Mütter mit zwei Babys schon mal überhaupt nicht. Da kommen wir ja aus dem Waschsalon gar nicht mehr raus. Und Katis Geburtstermin ist nur noch zwei Wochen entfernt. Also muss ich mir wohl doch endlich eine eigene Maschine kaufen. Na toll. Und dafür habe ich meinen Silvesterwunsch verschwendet? Das war ja kein besonders kluger Schachzug von mir.
    Doch erst mal ist der Gang in den Waschsalon nicht zu vermeiden, obwohl sich alles in mir dagegen sträubt. Die »Schleuderei« ist wie ausgestorben. Kein Wunder, durch das feucht-heiße Wetter, das wir schon den ganzen Juni über haben, herrscht darin ein Klima wie in der Sauna. Wer geht bei dieser Hitze schon Wäsche waschen? Ich fülle trotzdem zwei Maschinen und setze mich davor. Meine Beine fühlen sich bleischwer an. Dumpf starre ich in das Bullauge, beobachte die Wäsche, wie sie hin und her geschleudert wird.
    »Mia, hallo. Dich habe ich ja lange nicht mehr gesehen.« Ich blicke auf und schaue direkt in Hildes freundliches, von Falten durchzogenes Gesicht.
    »Hallo.« Sie zieht sich einen der bunten Plastiksessel heran und setzt sich neben mich.
    »Ich sehe schon, du meditierst. Da will ich dich gar nicht stören.« Einträchtig sitzen wir da und starren in die Waschmaschine.
    »Heute fühle ich mich wirklich wie die Socke da«, sage ich schließlich bedrückt. Hineingeworfen ins Leben, beziehungsweise die Maschine, und dann einfach der Willkür von Wasser und Schleudergang ausgesetzt. Hin und her geworfen, mal oben, mal unten, und ohne die Möglichkeit, mein Schicksal zu beeinflussen.
    »Mein Großvater hat immer gesagt: Wider den Strom ist übel schwimmen«, erklärt Hilde und sieht dabei fast andächtig aus. »Das Leben ist viel leichter, wenn man seinem Fluss folgt.«
    »Ist das wirklich deine Meinung?«, frage ich zweifelnd, »aber das hieße ja, dass man total fremdbestimmt ist.«
    »Ich glaube, dass das Leben manchmal besser weiß, was gut für uns ist. Ich wollte zum Beispiel vor fünf Jahren alle Zelte hier in Hamburg abbrechen und auf Weltreise gehen. Davon träume ich schon, seit ich ein junges Mädchen war. Aber dann ist überraschend mein Onkel gestorben und hat mir die »Schleuderei« hinterlassen. Also bin ich hiergeblieben.« Ich lasse meinen Blick durch den Waschsalon schweifen und denke an all die exotischen Orte und Menschen, denen Hilde auf ihrer Reise hätte begegnen können.
    »Und du glaubst, dass das eine gute Entscheidung war?«, erkundige ich mich ungläubig und sie nickt.
    »Es gibt so viele Menschen, die ich sonst nicht kennengelernt und so viele Dinge, die ich nicht erlebt hätte. Das Leben weiß schon, was es tut.« Ich wende mich wieder meiner Meditation zu. Irgendwie gefällt mir dieser Gedanke überhaupt nicht. Wenn das Leben wirklich wüsste, was es tut, wäre ich dann jetzt in dieser Lage? Die Maschine nimmt Fahrt auf, der Wäscheberg verschwimmt vor meinen Augen zu einer unkenntlichen Masse.
    Zwei Stunden später betrete ich den Hauseingang von Markos alter Wohnung. Auf dem provisorischen Klingelschild schmiegen sich die Namen Graf und Schlund aneinander. Auch wenn mir der Anblick einen Stich versetzt, kann ich nicht umhin, ein kleines bisschen schadenfroh zu sein. Ja, sie mag schön sein und Markos große Liebe. Aber sie heißt Schlund. Und wer möchte das schon? Auf dem Weg nach oben fällt mir ein, dass sie sehr wahrscheinlich bald Graf heißen wird
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