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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es
Autoren: Christine Nöstlinger
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sie eben einen unerhört geizigen Mann kennengelernt hat. „Ja, hast nicht seine gierigen Augen gesehen?“, flüstert sie mir wissend zu.
    Gierige Augen, das sind für Mariechen Augen, die eng beieinander liegen. Eine spezielle Erklärung dafür, warum gerade gierige Geizhälse mit solchen Augen durchs Leben gehen, hat Mariechen keineswegs parat. So was sagt ihr einfach ihr Gefühl! Manchmal nennt sie es auch: „Mein Instinkt!“
    Dieser Instinkt sagt ihr auch, dass Menschen mit langen, dünnen Fingern, welche vorne spitz zulaufen, sehr „besitzergreifend“ sind. Und ein ganz gewisses Grübchen an einer ganz gewissen Stelle eines männlichen Kinns verrät Mariechen allerhand über das Verhalten des Grübchenträgers in Sachen Erotik.
    Vor einem Jahr hat sich Mariechen von ihrem Mann scheiden lassen. Dieser Mann hatte dicke, rosige Patschhandi, an der gewissen Stelle am Kinn das gewisse Grübchen und Augen, die so schrecklich weit auseinanderstanden, dass es schon nicht mehr normal war. Mariechens Gründe zur Scheidung waren: „Geizig ist er! Und wahnsinnig besitzergreifend! Und außerdem bin ich zu jung, um wie Bruder und Schwester mit einem Mann zu leben!“
    Selbstkritik in Sachen „Blitzdiagnose“ übt Mariechen trotzdem nicht. Nein, sagt sie, auf den ersten Eindruck sei Verlass! Ihr Mann sei bloß die Ausnahme gewesen, die jede Regel bestätige.
    Nur in einer Beziehung hält Mariechen nichts vom „ersten Eindruck“. Dann nämlich, wenn es um den geht, den sie auf andere macht. „Was?“ schluchzt sie. „Der Kerl hat mich für sauertöpfisch gehalten? Wegen meiner Falten von den Mundwinkeln zum Kinn? So eine Gemeinheit! Was kann denn ich für mein schwaches Bindegewebe! Ignorant, der!“
    Und dann fügt sie, sich tröstend, hinzu: „Eh klar! Er hat ja auch angewachsene Ohrlapperln! Typisch für einen Ignoranten!“

Wie machen die das nur?
    Eine ganz spezielle Sorte von Frauen sind die „Um-den-Finger-Wicklerinnen“. Vertreterinnen dieser Frauensorte erzählen gern verschmitzt lächelnd, dass sie es überhaupt nicht nötig haben, „mehr Rechte für Frauen“ einzufordern, denn sie – oberschlau und urcharmant, wie sie von Geburt an sind – erreichen bei ihren Männern ohnehin alles, was sie wollen. Sie setzen immer ihren Willen durch, und das, ohne dass ihr Mann überhaupt etwas davon merkt. Das naive Tschapperl glaubt zwar, es gehe alles nach seinen Wünschen, aber in Wirklichkeit – schmunzel, schmunzel, ha, ha!!! – führt daheim sein schlaues Weiblein das Regiment und lenkt seine Gedanken und seine Taten ganz nach ihrem Belieben.
    Ich will nun gar nicht darüber sinnen, ob das die richtige Vorstellung von Partnerschaft ist, denn solidarisch, wie ich mit allen Frauen bin, sage ich mir: Jede Schwester soll mit der Methode, die ihr zusagt, glücklich werden. Nur würde ich gar gern wissen, wie denn das „Um-den-Finger-Wickeln“ in der Praxis und im Detail vor sich geht. Das sagen die Frauen, die sich dieser Kunst rühmen, nämlich nicht. Da muss man erst nachbohren.
    Wie bringt zum Beispiel Elvira mit Charme und Schläue den Ehemann in die Küche zum Geschirrwaschen? „Ach“, sagt Elvira, „das will ich gar nicht, was soll ich mit dem Patschachter in der Küche, das mach ich mir lieber allein!“
    Na gut, aber wie erreicht sie’s, dass sie im Urlaub nicht ins Gebirge muss, wie der Ehemann will, sondern ans Meer, wie sie will? „Ach“, sagt Elvira, „was habe ich davon, wenn er am Meer dauernd motzt und ich seinen Sonnenbrand verarzten muss und seinen Durchfall wegen dem ungewohnten Essen auch? Da hab ich’s im Gebirge besser, wo er ein rundum zufriedenes Kerlchen ist!“
    Na, auch gut, aber wie wickelt Elvira den Ehemann um den Finger, damit er einverstanden ist, dass sie von ihrem ersparten Geld das Schlafzimmer neu tapezieren lässt? „Kein Problem“, sagt Elvira, „zuerst wollte er natürlich nicht, weil er meinte, ich solle ihm mein Erspartes für ein neues Auto geben, aber dann bin ich ihm dahintergekommen, dass er mit der Rosi ein Gspusi angefangen hat, und wie er gemerkt hat, dass ich es gemerkt habe, hat er nichts mehr gegen das Tapezieren gehabt, sogar mit einem neuen Doppelbett ist er jetzt einverstanden!“
    Tja, wenn das so ist, dann kann man nur sagen: So viel Talent zum „Um-den-Finger-Wickeln“ ist wahre Meisterschaft, zu der man es nur bringen kann, wenn man die Tugend des Selbstbetrugs perfekt erlernt hat; was uns unschlauen, uncharmanten Normalfrauen irgendwie
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