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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es
Autoren: Christine Nöstlinger
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sie ihre Schwester und das Meer genauso wenig mag wie er und den Schlaf am Sonntagmorgen genauso liebt wie er. Und dass sie seit einiger Zeit anders lacht, na ja, das ist angenehm, aber warum das so ist, darüber hat er nicht nachgedacht.
    Dann kommt Herr M. eines Tages heim, Frau M. kocht Grammelknödel, weil Sohn M. selbige liebt. Herr M. sieht’s und sagt: „Die mag ich doch nicht, na ja, auf meine Gustos nimmt man ja nicht Rücksicht!“
    Da flippt Frau M. plötzlich aus! Schreit, haut den Topfdeckel zu Boden und droht mit Scheidung!
    Und Herr M. hält das für einen kurzfristigen Anfall von Irrsinn, bedingt durch die Wechseljahre.
    Also Vorsicht bei der Rücksicht!

Wohin mit dem Kummer?
    Wirklich „gute Freunde“ hat man gottlob nicht nur für Jux und Tollerei und heitere Stunden im Leben, sondern auch für die „beladenen“ Zeiten. Da darf man bei ihnen „abladen“. Aber kaum einer der guten Freunde sieht sich als „sprachloser Abladeplatz“, welcher Kummer nur anhört, verständnisvoll nickt, mitleidig seufzt, ein Taschentuch reicht und – bei Bedarf – sanft unser zitterndes Handerl tätschelt.
    Gute Freunde neigen dazu, unseren Kummer „auseinanderzunehmen“, die tieferen Ursachen hinter den akuten Anlässen aufzudecken, Ratschläge zu geben und hinterher zu beobachten, ob unsereiner die Ratschläge auch beherzigt. Und weil das so ist, sollte sich jeder Mensch für jeden Kummer den passenden Menschen zum „Abladen“ auswählen.
    Nehmen wir den Fall eines argen Ehestreits. Da hat also die Grete schrecklichen Kummer mit ihrem Hans. Trägt sie ihren Kummer zur Anna, von der sie weiß, dass die den Hans nicht mag, hat sie zwar zu erwarten, dass ihr diese Freundin absolut recht geben wird, aber sie wird auch hören: „Ich hab dir ja schon voriges Jahr gesagt, dass du dich scheiden lassen sollst!“
    Und schluchzt dann die Grete aufgrund ihrer tristen Tagesstimmung: „Morgen geh’ ich zum Anwalt!“, so steht sie zwei Wochen später, nach der Versöhnung mit dem Hans, auf zwiespältigem Freundesfuß mit der Anna, muss versuchen, dieser die „guten Seiten“ vom Hans darzulegen, und erntet Blicke, die besagen: Bei dir sind Hopfen und Malz verloren!
    Trägt die Grete aber den Kummer zur Maria, die den Hans sehr mag, versucht diese unentwegt, Hansens Standpunkt darzulegen, einer angeblichen „Objektivität“ verpflichtet. Und wer will die schon, wenn er auf Trost aus ist?
    Zudem neigen ja Marias und Annas meistens dazu, Freundeskummer wiederum mit anderen Freunden zu besprechen. Oh nein, das ist kein Tratsch! Das ist nur „echte Betroffenheit“, die man nicht bei sich behalten kann!
    Aber es gefällt einem halt weniger, drei Monate nach der Versöhnung mit dem Ehemann auf der Straße von einer flüchtigen Bekannten gefragt zu werden, wie denn die Scheidung so verlaufen sei!
    Hören Sie auf mich: Laden Sie Kummer bei Ihrer Katze ab! Die lässt sich das Fell nass weinen, schnurrt tröstend, erzählt nichts weiter, gibt keine Ratschläge, und ihr unergründlicher Katzenblick sagt Ihnen, dass Menschenkummer so ernst wieder auch nicht zu nehmen ist.

Jacke wie Hose
    In der Ehe von Gerti und Gustl kriselt es. „Gustl ist schuld“, sagt Gerti. „Gerti ist schuld“, sagt Gustl. Die konträren Ansichten über die Schuldfrage teilen sie nicht nur einander mit, sondern auch Franz und Frieda, dem mit ihnen befreundeten Paar; wobei sich Gerti bei Frieda ausspricht, Gustl bei Franz. Möglicherweise wegen „Solidarität mit Geschlechtsgenossen“, vielleicht auch, weil Franz und Frieda jeweils nur von „einer Seite“, also einseitig, informiert werden, teilt Franz hundertprozentig Gustls Meinung, Frieda geht mit Gerti ebenso hochprozentig konform; was problematisch ist, weil Frieda und Franz nun regelmäßig, wenn sie mit brandneuen Krisen-Details einseitig versorgt sind, einander von ihrer Sicht der Schuldfrage überzeugen wollen. Franz erklärt Frieda, wie unschuldig Gustl sei und wie unmöglich sich Gerti aufführe. Frieda erklärt Franz, wie unschuldig Gerti sei und wie unmöglich sich Gustl aufführe. Natürlich lässt sich keiner überzeugen, worauf sie einander Blindheit und Voreingenommenheit vorwerfen, und eskaliert der Stellvertreter-Krieg, schreit Frieda: „Du hältst ihm ja nur die Stange, weil du genauso ein Idiot bist wie er!“ Und Franz brüllt: „Und du bist genauso ein Trampel wie sie!“
    Gerti ist natürlich kein Trampel, Frieda ist auch keiner, Gustl ist ebenso wenig ein Idiot
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