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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Autoren: Brigitte Riebe
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sauenreich, voller Hasen, Rebhühner und Fasanen, in denen er gern zur Beize geritten war, bevor seine Falken eines Tages wegflogen, weil sie die Hand des Herrn zu lange entbehrt hatten. Der kleine Fluss, der sich durch die moorige Talsenke schlängelte. Das Dorf, gegen Westen gelegen, mit seinen strohgedeckten Holzhäusern, halb in der Erde, als versuchten sie dort Wurzeln zu schlagen. Die Steinkirche mit dem Glockenturm – nur ein kleiner Weiler unter anderen, in denen die Fronleute hausten, die sein Land bestellten.
    Von König Heinrich als Grafschaft erhalten für treue Waffendienste, wie er Eila voller Stolz erzählt hatte. Und dessen Sohn Otto, der jetzt das Reich regierte, hatte den stattlichen Besitz vor einiger Zeit sogar noch um weitere Hufen ergänzt.
    Voller List und Betrug einem sächsischen Edelmann abgeluchst, wie die Mutter ihm höhnisch entgegenhielt, sobald die Sprache darauf kam. »Mit leeren Händen bist du in mein Land gekommen, alter Mann!«
    »Mit Händen immerhin, die ein Schwert meisterhaft führen können und eine Lanze ebenso sicher schleudern wie die Streitaxt werfen. Hände, die Pfeil und Bogen beherrschen, wie kaum einer der Jüngeren es vermag.« Er begann dann unruhig auf und ab zu gehen, untrügliches Anzeichen, dass einer seiner Wutausbrüche drohte. »Jede einzelne Hufe hab ich mir verdient. Treue wird mit Land belohnt, Verrat mit dem Tod. Daran wird sich nichts ändern. Niemals!«
    Eila hasste es, wenn die beiden sich stritten, doch leider taten sie es viel zu oft. Manchmal kam es ihr vor, als seien Zank und Zwist das Einzige, was die Eltern verband. Nun jedoch war Graf Raymond seit Wochen überfällig, und sie vermisste ihn mehr denn je. Es war nicht üblich, dass ein Ritter Burg und Familie im Winter allein lassen musste, schon gar nicht über die Weihnachtstage. Selbst Kriege und Feldzüge richteten sich in der Regel nach den hohen Kirchentagen. Es lag am König als dem obersten Befehlshaber, diese Ordnung aufrechtzuerhalten, und dass es Otto nicht gelingen wollte, sprach in Eilas Augen nicht für ihn.
    War das vielleicht einer der Gründe, warum sich sogar die leiblichen Brüder gegen Otto erhoben hatten, in Aufständen freilich, die von ihm bisher jedes Mal mit eiserner Faust niedergezwungen worden waren?
    Eila hatte Mutter und Malin darüber tuscheln hören, die nicht ahnten, dass sie heimlich lauschte. Außerdem sprachen sie in bedrücktem Ton über neuerliche Überfälle herumziehender Steppenreiter, die alles schändeten, raubten und niederbrannten, was ihnen in die Hände fiel. Die Leute nannten sie Turci . Das Mädchen konnte sich nichts Rechtes darunter vorstellen, doch allein das fremde Wort erfüllte es mit dumpfer Furcht.
    Eilas Magen begann zu knurren wie stets, wenn ihr unbehaglich zumute wurde. Aber es konnte noch Stunden dauern, bis die Mutter zur Nachtmahlzeit auftragen ließ, vorausgesetzt, sie vergaß es nicht ganz. Wenn sie schwanger war, musste man mit allem rechnen. Das Mädchen hatte schon gesehen, wie sie sich händeweise rohe Kaninchenleber in den Mund stopfte, nur um alles im nächsten Augenblick wieder würgend zu erbrechen.
    Für einen Moment wurde Eila ganz flau. Sie presste ihre Stirn gegen eine Zinne und begann flach zu atmen. Da entdeckte sie unten das Pferd, den Mann, der es führte, und das Kind, das hinter den beiden hertrottete, ein ganzes Stück, als sei es darauf erpicht, Abstand zu halten.
    Ein Mädchen.
    Es musste ein Mädchen sein, Eila war sich sicher, als sie näher kamen. Etwas an der Gestalt, an der Haltung, ließ keinen Zweifel in ihr aufkommen, obwohl man das dunkle Haar des Kindes kurz geschoren hatte und es Beinlinge trug. Ein mageres Mädchen, etwas kleiner als Eila, dem das graue Wolltuch ständig vom Kopf auf die Schultern rutschte.
    Der Mann und das bepackte Pferd gingen langsam, aber stetig durch den hohen Schnee, während das Mädchen immer wieder stehen blieb und mit dem störrischen Tuch kämpfte oder an seinem Schuhwerk nestelte, bevor es sich stockend und sichtlich widerwillig erneut in Bewegung setzte.
    Eilas Hunger war mit einem Schlag verflogen. Stattdessen verspürte sie im ganzen Körper freudiges Kribbeln. So lange schon hatten sie keine Fremden mehr gesehen, keine Gäste mehr bewirtet! Den ganzen Herbst über war es so ruhig gewesen, dass Eila vor Langweile halb umgekommen war, und auf Abhilfe war bis weit ins Frühjahr hinein nicht zu hoffen gewesen. Nur wer nicht anders konnte, machte sich mitten im Winter auf
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