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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Autoren: Brigitte Riebe
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den Weg.
    Wer also mochten sie sein?
    Eine Familie? Fahrendes Volk? Fromme Pilger auf weiter Reise?
    Bald schon würde sie von ihrer Ungewissheit erlöst werden. Denn offensichtlich waren das Pferd und die beiden auf dem direkten Weg zu ihnen. Zur Einhornklippe, wie man landauf, landab den schroffen Felsen nannte, auf dem Graf Raymonds Burg lag.

JANUAR 946
MORITZKLOSTER ZU MAGDEBURG
    »Sie ist tot, Raimund, meine geliebte Königin lebt nicht mehr! Das italische Fieber hat sie mir genommen, und kein Gebet konnte helfen, nicht einmal das innigste Gelübde. An ihrer Bahre hab ich gewacht, die ganze Nacht hindurch und diesen schrecklichen, schwarzen Tag. Jetzt fühl ich mich innerlich nur noch müde und leer.«
    »Ich weiß, mein König, mein Herr. Und meine Seele weint mit dir, mein Herz ist schwer vor Kummer.« Raymond verneigte sich tief und vergab Otto dabei zum abertausendsten Mal, dass er noch immer seinen Namen verschandelte.
    »Edgith war doch noch gar nicht alt! Die Beste von allen. Die Schönste, die Klügste. Nie wieder werden meine Augen ein anderes Weib sehen.«
    Allmählich wurden Raymond die Knie steif, und von der unteren Rückenpartie stieg wieder jener dumpfe Schmerz auf, der unversehens stechend werden konnte, wenn man sich falsch bewegte oder wieder einmal zu lang im Sattel geblieben war. Aber dennoch verharrte der Graf in seiner unbequemen Haltung.
    Wir wissen beide ganz genau, dass es anders kommen wird, dachte er. Schon eine ganze Weile hat sie das Bett nicht mehr mit dir geteilt, sondern sich im Kloster heimischer gefühlt als in deinen Armen, und das nicht nur, wenn du auf Kriegszug warst. Das haben mir nicht nur ihre traurigen Augen verraten, sondern auch ein paar schwatzhafte Zofen. Sonst gäbe es sicherlich auch neben diesen beiden blassen Kindern aus den ersten Ehejahren ein paar kräftige Königssprösslinge mehr. Du bist zum Alleinsein nicht geboren, Monseigneur, und – vergebe mir der gütige Gott – ich bin es auch nicht, obwohl ich mir die Meisterin erkoren habe, die es mich zu lehren vermöchte. Auf den Kopf könnte ich dir zusagen, welche Art von Frau es sein wird. Jung muss sie sein, nicht zu groß, mit vollen Lippen und schweren Brüsten. Lebhaft, doch nicht rechthaberisch. Klug genug, um zu dir aufzusehen. Am besten auch noch mit dunklem Haar und Rabenbrauen. So wie die slawische Fürstentochter Dyma, die deine Kriegsbeute war, bevor du ihrer überdrüssig wurdest und es dir nicht schnell genug gehen konnte, sie ins Stift Möllenbeck abzuschieben. Deine fromme Königstochter aus dem fernen Wessex war nichts als ein blasser Abglanz Dymas.
    »Sie ist jetzt bei Ihm«, sagte Raymond leise, »dem ewigen Vater. Dort, wo wir alle eines Tages sein werden.«
    Er bekreuzigte sich. Noch etwas länger, und seine Knie würden knirschend unter ihm nachgeben und ihn in voller Länge auf den eisigen Boden stürzen lassen. Ob er dann jemals wieder ohne fremde Hilfe aufkam, stand in den Sternen.
    Endlich schien der König aus seiner Agonie zu erwachen und gab ihm ein Zeichen.
    Erleichtert erhob sich der Graf.
    »Setz dich zu mir, Raimund! Ich möchte jetzt nicht allein sein.«
    Raymond zog einen der ledernen Hocker heran und ließ sich nieder. Sein Blick glitt durch den Raum, der leer war bis auf ein paar Truhen, den Eichentisch und die eisernen Halter an den Wänden, in denen Fackeln brannten. An der Stirnseite hing ein hölzernes Kreuz; das war der einzige Schmuck. Ein Feuer im gemauerten Kamin verbreitete Wärme, vorausgesetzt, man entfernte sich nicht zu weit von ihm. Ein paar gut gefüllte Holzkohlebecken kämpften zusätzlich gegen die beißende Kälte an.
    Das Kloster war geräumig gebaut, aber schlicht ausgestattet, obwohl Magdeburg unaufhaltsam zu Ottos Lieblingspfalz aufrückte. Es gab mehr als einen unter seinen Rittern, der das insgeheim beklagte, weil ständig Silber in diese neue Siedlung floss, während andere Orte das Nachsehen hatten. Auch mit der Gewährung neuer Rechte und Privilegien geizte der König nicht. Nur deshalb konnte dieser Markt an der Elbe sich immer weiter ausbreiten; nur deshalb machten jetzt reiche Fernhändler mit Pelzen, Honig und Bernstein hier Station, die früher mit ihren Waren vorbeigezogen wären.
    Es gefiel Raymond, dass der Raum nichts von einem königlichen Prunkraum hatte; auf ihn wirkte er eher wie das Feldlager eines Kriegers, der ständig unterwegs sein musste. Damit kannte er sich aus. Das war das Leben, das er schon mit Ottos Vater Heinrich
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