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Liebe gegen jede Regel

Liebe gegen jede Regel

Titel: Liebe gegen jede Regel
Autoren: Andrew Grey
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andere. Sie ist über alles informiert und hat für jedes Problem die passende Lösung. Die Bezeichnung gute Seele des Unternehmens hat sie mehr als nur verdient – sie verkörpert sie voll und ganz.
    Mein kleiner, hysterischer Anfall war also total unangebracht.
    Ich beiße mir fest auf die Unterlippe und senke den Blick. Meine Lippe schmerzt. Ich werde sofort ein bisschen ruhiger. Diese abgeschwächte Art von Masochismus hilft mir immer wieder, die Wut auf mich selbst in den Griff zu bekommen. Und ich muss gestehen: Ich bin oft wütend auf mich selbst. Es gibt einfach zu viele Dinge an mir, die nicht so sind, wie ich sie gerne hätte.
    Am schlimmsten sind meine Nerven. Sie geraten viel zu leicht durcheinander, lassen sich reizen und stressen.
    Lautlos schnaubend zupfe ich an meinem Hemd herum. Ich recke das Kinn in die Höhe und streiche mir ein paar Haarsträhnen aus der Stirn.
    Selbstbeherrschung.
    Innere Ruhe.
    Eine junge Frau, keine zwei Meter von mir entfernt, mustert mich schüchtern. Ich schenke ihr einen kühlen Blick, sie zuckt ertappt zusammen, wird rot und schaut schnell woanders hin.
    Ja, diese Wirkung habe ich auf viele Menschen.
    Man nennt mich kalt. Man nennt mich arrogant.
    Im Studium war ich als Einzelkämpfer bekannt, als Egoist, der seine Sachen am liebsten selbst macht. Man wunderte sich über mich, schließlich war es ja nicht normal, dass einem Einundzwanzigjährigen seine Prüfungen und Noten wichtiger waren als eine gute Party. Aber so bin ich eben.
    Es fällt mir nicht leicht, mit Fremden ein Gespräch zu beginnen.
    Was hat man einem Menschen, den man nicht kennt, denn schon groß zu erzählen?
    Das Wetter und Kartoffelchips haben nie zu meinen Lieblingsthemen gehört.
    Erst in den letzten Jahren habe ich gelernt, wie man bedeutungslosen Smalltalk führt. In meinem Beruf ist diese Fähigkeit nun mal essentiell .
    Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass es eine erbärmliche Sache ist sie dazu zu nutzen, in überfüllten, schlecht belüfteten Räumen rumzugammeln, nach möglichen Sexualpartnern Ausschau zu halten und dabei einem Wildfremden einen Vortrag über den letzten Griechenlandurlaub zu halten.
    Die junge Frau an meiner Seite schaut nun nicht mehr in meine Richtung. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Kurz überlege ich, ob ich ihr zulächeln oder gar ein paar freundliche Worte sagen soll… dann lass' ich es doch sein.
    Die U-Bahn hat mittlerweile zehn Minuten Verspätung.
    Die Leute murren nun immer lauter. Man brabbelt wütend vor sich hin und lässt die angestaute Wut und Frustration auf eine fiktive Person, die man Immer-diese-Bahn nennt, heraus.
    Ich schaue noch zweimal auf die Uhr, zupfe erneut an meinem Hemd herum und spiele unruhig mit dem Schirm in meiner Hand. Mehr kann ich nicht tun. Für ausschweifende Hasstiraden und peinliche Selbstgespräche fehlt mir der Sinn.
    Dann erscheinen endlich zwei runde, gelbe Lichter im Dunkeln des Tunnels. Sie kommen näher. Ratternd rauscht die gelbe U-Bahn heran.
    Ein allgemeines Aufatmen wandert den Bahnsteig entlang.
    Kaum, dass sich die automatischen Türen geöffnet haben, drängen sich die Wartenden schiebend und schubsend ins Innere der Bahn.
    Ich lasse der jungen Frau den Vortritt und ernte dafür ein dankbares Lächeln. Damit habe ich meine Grobheit von eben wohl wieder ausgebügelt.
    Im Inneren des Wagons suchen sich die gereizten Pendler einen Sitzplatz. Rücksicht wird hier klein geschrieben. Ich setze mich neben einen Jungen, den ich nicht älter als fünfzehn schätze, aber so genau kann man das ja heutzutage nie sagen. In seinen Ohren stecken zwei Kopfhörerstöpsel, die mit seinem Handy verbunden sind. Der Junge lässt sich von lauter HipHop-Musik beschallen. Ich kann jedes Wort verstehen. Derbe Ausdrücke reihen sich an seltsam verzerrte, englische Begriffe. Ein Kauderwelsch, der mich schaudern lässt. Auf einmal fühle ich mich sehr alt.
    Die breiten Fensterscheiben sind beschlagen. Die Luft im Wagon ist dunstig und schlecht. Ich vermeide es, tief Luft zu holen.
    Der Blick aus den Fenstern zeigt düstere Tunnelgänge und schmutzige Betonwände. Ich zähle innerlich die Sekunden bis die Bahn endlich langsamer wird. Eine Frauenstimme vom Band kündigt die nächste Station an. Erst auf Deutsch, dann auf Englisch. Gemeinsam mit einem Großteil der Fahrgäste erhebe ich mich, als wir in die unterirdische Station einfahren.
    Auf dem Bahnsteig eile ich schnellen Schrittes auf die Rolltreppen zu. In der modernen, großen
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