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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau
Autoren: diverse Autoren
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nicht leicht ist, auf keinen Fall leichter als die Luft, ist es unmöglich für ihn, zu fliegen. Aber ein phantasternder Komödienschreiber darf natürlich in seinen Stücken solche Naturgesetze mißachten. Da fliegt eben der Mensch, auch wenn es wissenschaftlich unmöglich ist. Da
wird eben XY verjüngt. Weil es die Zuschauer gerne sehen. Wenn Sie schon den Begriff utopische Literatur prägten,
dann ist die Schreiberei dieses A. eine solche, eine Unliteratur,
eine Nichtliteratur, die sich nur durch eins auszeichnet, durch
die Anmaßung, Literatur sein zu wollen.
Ihr Aristodemos
    Lieber Aristodemos,
auch Sie waren mit Ihrer Wahrsagekunst nicht auf der Hö
he. Die Menschen können heute fliegen, sogar auf den Mond.
Und ich möchte behaupten, auch dank Ihrem so verketzterten Aristophanes. So wissenschaftlich Ihre These, alles Leichte steige nach oben, auch klingen mag, im Grunde genommen ist
sie nach heutigen Erkenntnissen unhaltbar.
Haltbar dagegen die Phantasterei des A. sowohl was das
Fliegen als auch was die Verjüngung betrifft, denn die durchschnittliche Lebenserwartung des Menschen liegt heute höher
als zu Ihren Zeiten.
Ich möchte Ihnen sehr gerne das Erlebnis eines Fluges vermitteln, Sie sollten dabei wählen dürfen zwischen einem Ballonflug, einem Segelflug oder dem Flug in einer Maschine, die
1000 Kilometer in einer Stunde zurücklegt. Soweit wir es aus
unserem Jahrtausend zurückverfolgen können, war Fliegen
ein Traum des Menschen, ich denke nur an die Geschichte von
Dädalus und Ikarus, ein Traum, den die Dichter nährten. Und
so sagt uns dieser A. etwas. Ich kann aber nicht glauben, daß
er Ihnen nichts gesagt haben soll. Ihr Klaus Meier
Dionysien 414
    Lieber Freund Klausmeier, im Grunde genommen berührt mich die Frage überhaupt
nicht, ob die Menschen fliegen können oder nicht, sie ist letzten Endes zweitrangig. Denn für uns ist wichtig, ob der
Mensch weiser geworden ist oder nicht. Einem Unweisen
nützt Fliegenkönnen nichts. Ich möchte es Ihnen wirklich nicht
unterstellen, ich will mich auch nicht bemühen, so weit in die
Zukunft zu schauen, aber ich könnte mir denken, daß unweise
Menschen das Fliegen mißbrauchten, um Gift oder Feuer auf die unter ihnen befindlichen Städte und Menschen zu werfen. In einem Kriege. Und solange die Menschen noch nicht weise geworden sind, werden mehr Fluggeräte, das kann ich Ihnen ohne ein Orakelzeichen weissagen, für Vernichtungszwecke gebraucht werden als zum In-der-Luft-Herumfliegen, etwa um
sich an der Schönheit der Welt zu erfreuen.
Mittlerweile ist das eingetreten, was Sie vorausgesagt haben. Sokrates und auch ich haben tatsächlich mit dem bis dahin verabscheuten Aristophanes an einer Tafel gesessen und
auf den Sieg des Dichters Agathon getrunken. Und wir hatten
sehr gute Dialoge an dem Abend. Mein Lehrer Sokrates und
ich stimmen darin überein, daß Aristophanes in der letzten
Zeit eine Entwicklung durchgemacht hat, er wird weiser, und
das kann auch nicht anders sein, seit er unter unseren Einfluß
geraten ist.
Mit seinem Stück »Die Vögel« hat er endlich einen Versuch
unternommen, eine richtige Gegenwelt zu entwerfen. Wenn es
ihm auch noch nicht gelungen ist, aber man braucht die Hoffnung nicht mehr aufzugeben, daß aus ihm noch ein nützlicher
Dichter wird.
Zwei Athener, des Lebens in dieser Stadt überdrüssig, suchen sich ein neues Land. Es sind ja schlimme Zeiten, der
Krieg ist wieder in vollem Gange, aber schlimmer ist die
Angst, als Staatsfeind verhaftet zu werden. Jeder beschuldigt
jeden. Unseren vielen Hermesstatuen wurden in einer Nacht
die Nasen und manchen sogar die Köpfe abgeschlagen. Und
da kam dieser Anzeiger Diokleides, der dreihundert Männer
beim Lichte des Vollmonds hat in die Stadt schleichen sehen
und der viele Namen als Denkmalsschänder angab. Bekränzt
wurde er als Retter des Vaterlandes herumgefahren, und ihm zu Ehren gab es im Rathaus ein Festessen. Zugleich setzten
Massenverhaftungen ein, die Folter wurde wieder zugelassen. Auch ich hatte Angst um mein Leben. Ich schlief mal hier,
mal dort, immer darauf bedacht, schnell fliehen zu können,
falls die Greifer meinen Namen nannten, und dabei wußte ich,
daß in der besagten Nacht, in der die Verstümmelung der
Denkmäler geschehen war, kein Mond schien, Neumond war
es, aber die Leute waren so hysterisch, daß sie darauf nicht
hörten. Da konnte man noch so oft sagen, wie kann der D. im
Vollmond etwas gesehen haben, wenn da gerade Neumond
war. Nun ist der Irrtum offenbar
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