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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau
Autoren: diverse Autoren
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die Mieter an, sie nicht zu öffnen. Dort draußen lag die Svartensgata der vierten Dimension, und damit wollte er lieber nichts zu tun haben.
Aber, so fragen Sie, weshalb dann dieser kopfhängerische Blick? Dieser fette Gauner hat es doch nie so gut gehabt wie jetzt. Worüber zerbricht er sich den Kopf? Hat er einen Kater? Ist er nie zufrieden? Geduld, ich will es gleich erklären.
    Es war die Schuld dieser unglückseligen Katze. Sie strich im Hause herum, als wenn es ihr gehörte, und Harry, der das Tier eigentlich ganz gern mochte, fütterte es mit Hering von bester Qualität. Es war ja gewissermaßen sein Mittäter, es hatte die Goldgrube entdeckt, und Harry läßt seine Kumpane nie im Stich. Es verhielt sich ganz einfach so, daß Harry eines Nachts in der Kneipe gewesen war, seine letzte Miete verjubelt hatte und dann am frühen Morgen heimwärts trällerte, vergnügt und munter, wie er es bei solchen Gelegenheiten zu tun pflegte. Er liebte die ganze Welt. Er wollte die Menschheit in die Arme schließen. Er fand auch sofort und richtig das Schlüsselloch, als er die Außentür aufschloß, und das erfüllte ihn mit unbeschreiblicher Freude. Er torkelte in die Diele, er tanzte über den spakigen Fußboden. Er sang. Und er trat auf die Katze.
    Das hätte er nicht tun sollen. Das Tier war gerade in süßesten Schlummer versunken und träumte von Hekatomben fetter Heringe in der ewigen vierten Dimension; es gab ein herzzerreißendes Jaulen von sich, sprang hoch und krallte sich in Harrys Gesicht fest. Und da gab es eine ganze Menge, woran es sich festkrallen konnte. Er war in seiner vermögenden Zeit ja nicht magerer geworden. Hierauf stimmte Harry mit der Katze in ein zweistimmiges Geheul von selten vernommener Lautstärke ein, torkelte unter verzweifelten Versuchen, sich aus der Katzenumarmung zu befreien, vorwärts, stolperte – und riß den Spiegel um, der nach bescheidener Schätzung in eine Million kleiner Scherben zersplitterte.
    Die Katze sprang aus dem offenen Fenster, der Spiegelrahmen begann zu schwelen, und vor Harrys idiotisch starrenden Augen verwandelte er sich in wenigen Sekunden zu einem schwarzgebrannten Viereck, bar jeglicher Ziselierung und beweglicher Ornamente. Langsam erhob er sich, gab ein langgezogenes Stöhnen von sich und fiel in Ohnmacht.
    Darum also ist Harry so am Boden. Schauen Sie nur, wie der vordem so gerade Rücken sich krümmt, schauen Sie die glanzlosen Augen an, den gehetzten Blick. Sehen Sie, wie der Schnurrbart auf Halbmast hängt. Harry ist verbittert. Denn als der Spiegel zu Scherben ging, verschwand gleichzeitig auch die Tür zur vierten Dimension oder was immer das gewesen sein mochte, und sämtliche Mieter verschwanden mit ihr. Die Spiegelwelt existiert vielleicht gar nicht mehr. In seiner Portierloge aber häuft sich die Post, Besucher sind gekommen und unverrichteterdinge wieder gegangen. Ein Mieter, der in jener unglückseligen Nacht nicht daheim war, trachtet ihm nach dem Leben. Der Polizist hat schon angefangen, ihn schief anzusehen. Bald werden sie ihn aufgespürt haben und ihn fragen, wohin all die Mieter gekommen sind, und was soll Harry dann antworten?

Günter Braun Johanna Braun
Briefe, die allerneueste Literatur betreffend Sehr geehrter Herr Aristodemos,
    Sie meinen, es gehöre kein Mut dazu, sich mit einem um 2400 Jahre Jüngeren in ein Gespräch einzulassen, und ich bewundere Ihre Gelassenheit, mit der Sie so leichthin bemerken, daß, solange Menschen auf der Erde leben, sie sich auch menschlich verhalten werden, das wäre auch in 5000 Jahren nicht anders, und wenn sie sich anders verhielten, wären sie eben keine Menschen, sondern andere Lebewesen; Sie räumen ein, daß dann ein Dialog eventuell schwierig werden könnte. Schwieriger hätte ich es, der sich um 2400 Jahre zurückversetzen muß, denn wie es wirklich gewesen war, so Ihre Theorie, das weiß nachher keiner mehr genau, während die Zukunft immerhin eine Anzahl Möglichkeiten böte. Mag man die Zeiten vor- oder zurückverschieben, was ja seit der Erfindung der Zeitmaschine durch einen gewissen H. G. Wells theoretisch kein Problem mehr ist… Ach ja, Sie sind mir auch da schon ins Wort gefallen, wie ich gerade lese, indem Sie behaupten, bei Ihnen wäre es sogar praktisch möglich gewesen, mittels Ihrer vielen Zukunftsdeuter, Wahrsager und Orakelverkünder einen Blick in die Zukunft zu werfen und natürlich auch zurück, und so habe dieser H. G. Wells nichts Besonderes geleistet, sondern nur wieder
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