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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau
Autoren: diverse Autoren
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wieviel ich nicht brauche?
Höre ich jetzt ganz schwach Ihre Stimme, oder täusche ich mich? Stelle ich mir nur vor, daß Sie sprächen? Sehr schön, sehr gut, aber führt A. in diesem Stück nicht den Gegenbeweis, daß solch eine andere Welt unmöglich sei? Sagt nicht ein Bürger, als er nun aufgefordert wird, sein Hab und Gut zum Gemeinsamen zu tun, »meinen Besitz soll ich abliefern? Ich bin doch kein Trottel, der gegen seinen Vorteil handelt! Denn man sieht es doch, nicht geben wollen, nur nehmen! Und schließlich: Wie stell’ ich es an, daß ich meinen Besitz halte, aber doch
von dem großen Teil auch ein Stück abbekomme?«
Und geht das Stück nicht damit aus, daß sich drei alte Weiber um einen jungen Mann raufen, der aber nichts von ihnen
wissen will, sondern lieber eine Junge möchte?
Ja, lieber Aristodemos, es ist nun einmal so, daß ein Stück,
noch dazu ein utopisches, Möglichkeiten durchspielt. Das ist
es, was diese Art Literatur so reizvoll macht, die Frage, was
wäre, wenn. Ich hätte aber doch noch einiges gerne von Ihnen
gewußt – und wie Sie darüber denken. Aber Sie sind wohl
nicht mehr zu erreichen.
Ihr Klaus Meier
Lieber Aristodemos,
    auch Aristophanes entschwindet jetzt ins Unerreichbare, als ob er in einen Nebel hineinginge.
So davongehend, kommt mir auch A.s letzte Utopie vor, in der der blinde Gott des Reichtums Plutos auftaucht, der sehend gemacht wird, damit er den Reichtum gerechter verteilen kann. »Denn die wurden reich, die Volksredner, die Betrüger, die Denunzianten, aber wer ehrlich und anständig war, der blieb arm. Muß man denn ein Schurke werden, um zu Wohlstand zu gelangen?«
Viele Fragen und keine rechte Antwort. Sagt nicht der blinde Gott Plutos, »wenn sie reich geworden sind, werden sie alle schlecht«? Und behauptet nicht die Göttin der Armut, sie bringe den Menschen erst dazu, sich anzustrengen, und schaffe damit Reichtum? Und noch ein schönes Detail. Wie der Blinde von seiner Krankheit geheilt wird und er wieder sehen kann. Eine medizinische Wunschvorstellung, an der immer noch und nicht ganz ohne Erfolg gearbeitet wird.
Das Stück läuft nachher auseinander. Eine alternde Frau bettelt um die Liebe eines jungen Mannes. Ihre Wünsche werden schließlich erfüllt, der junge Mann wird in der Nacht zu ihr kommen.
Es war immer sehr viel, was Sie gegen A. einzuwenden hatten. Sie sahen das aus Ihrer Sicht, die ich respektieren will, aber aus unserer Sicht können wir, glaube ich, doch behaupten, es sind alles die Probleme, mit denen wir uns immer noch herumschlagen: die gerechte Verteilung des von Menschen Geschaffenen, die Gleichberechtigung für die Frauen, die Abschaffung des Krieges, aber auch die Kunst, bislang unheilbar Kranke wieder gesund zu machen. Fliegen indes können wir bereits.
Es kommt mir vor, als wäre A. mit seinen anderen, gerechteren Welten gegenwärtig. Was aber seine Zeit und auch ihn selbst ganz persönlich angeht, so erscheinen sie mir so nebelhaft, daß ich manchmal daran zweifle, ob sie überhaupt existiert haben. Und sie selbst, der Sie doch auch, wie Philosoph Platon berichtet, dagewesen sind, wo bleiben Sie, wo sind Sie jetzt? Der der »Kleine« genannt wurde. Und stimmt es, daß Sie eine Vorliebe für den Tragödiendichter Sophokles hatten? Das schreibt über Sie ein gewisser Xenophon.
Das Gespräch mit Ihnen wurde nicht zu Ende geführt, es hat einen offenen Schluß, wie vielleicht alle Gespräche, die ins Wesentliche gehen.
Ich verabschiede mich von einer Fiktion. Ihr Klaus Meier
     
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