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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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die zwar wissen, dass die Klapperstorchhypothese falsch ist, aber trotzdem keine Ahnung haben, wo die Babys herkommen.
    Eine lange populäre Lösung des Problems bestreitet schlicht die Existenz europäischer Aale. Der britische Zoologe Denys W. Tucker spekulierte 1959, dass der Weg zurück in die Sargassosee viel zu weit sei und es daher keiner der in Europa lebenden Aale zurück zu den Laichgründen schaffen könnte. Stattdessen würden die Aale Europas von amerikanischen Kollegen abstammen, die sich ebenfalls in der Sargassosee fortpflanzen. Auch wenn diese Hypothese nach langen Diskussionen untergegangen ist – europäische und amerikanische Aale zeigen klare genetische Unterschiede und müssen daher als zwei verschiedene Arten betrachtet werden –, zog sie doch interessante Folgen nach sich: Eine Gruppe von «Ariosophen», Anhänger der These, dass die Arier von Atlantis abstammen, leitete aus der Tucker-Theorie den Schluss ab, dass Aale vormals in Atlantis an Land gingen und nicht in Europa. Erst nach dem Untergang von Atlantis landeten die Larven in Europa, konnten sich aber nie an den jetzt doppelt so weiten Rückweg gewöhnen. Das sagten jedenfalls die Ariosophen, die mit Hilfe der Aale ihre Heimat Atlantis wiederfinden wollten, ein Unterfangen, das noch aussichtsloser erscheint als die Suche nach sich fortpflanzenden Aalen.
    Um herauszufinden, ob Aale in der Lage sind, den Atlantik zu überqueren, veranstaltete eine niederländische Forschergruppe vor kurzem ein Testschwimmen: Sie ließen eine Gruppe Aale ein halbes Jahr lang in einem Wassertank Kreise ziehen, ohne Fütterung, ohne Werbepausen und ohne Energiedrinks. Obwohl sie ein Fünftel ihres Körpergewichts einbüßten, legten die Aale dabei eine Marathondistanz von 5500 km zurück, eine erstaunliche Leistung. Statt auf einem Siegerpodest landeten die Aale nach der Strapaze allerdings auf dem Seziertisch. Wie sie es schaffen, so ausdauernd zu schwimmen, ist unklar, dass sie es aber können, scheint damit bewiesen. Zudem gibt es Hinweise, dass Aale in der Lage sind, sich nach dem Erdmagnetfeld zu richten, was eine Möglichkeit wäre, sich im Meer zu orientieren. Auch ist es mittlerweile gelungen, Aale in Gefangenschaft beim Befruchten ihrer Eier zu beobachten – aber eben nicht in freier Wildbahn. Andererseits zeigt eine neuere Arbeit des Japaners Tsukamoto und seiner Kollegen, dass im Atlantik gesammelte Aale ihr ganzes Leben dort verbracht haben, was völlig rätselhaft ist, weil es die gesamte oben zusammengefasste Aalwanderungstheorie infrage stellt. Und weiterhin gibt es mittlerweile leise Zweifel, ob alle Süßwasseraale in Europa genetisch einwandfrei derselben Art angehören, sich daher alle untereinander paaren können und überhaupt dieselben Ziele im Leben anstreben, Laichgründe eingeschlossen, wovon man eigentlich seit hundert Jahren ausgegangen ist.
    Nach wie vor also ist viel Raum für Fruchtbarkeitsmythen, Aalgötter und Spekulationen über Telekinese bei Fischen. Auftrieb könnte die Aalforschung in Zukunft durch den ebenfalls rätselhaften Niedergang der Glasaalpopulation erhalten. Immer weniger junge Aale kommen an Europas Küsten an; es könnte an Parasiten liegen, an der Meereserwärmung, Umweltgiften oder an ganz anderen Dingen. Aber weil Glasaale ein Wirtschaftsfaktor sind, besteht Hoffnung auf Rettung. Obwohl man es dem Aal zutrauen würde, eines Tages ohne jeden ersichtlichen Grund einfach so von der Erde zu verschwinden.

Amerikaner
Amerika ist kein junges Land. Es ist alt, dreckig und böse.
Das war es schon vor den Siedlern und vor den Indianern.
Das Böse ist immer da und liegt auf der Lauer.
William S. Burroughs: «Naked Lunch»
    Nachdem die Urmenschen im warmen Zentralafrika laufen gelernt hatten, zogen sie hinaus in die kalte Welt. Zunächst in den Vorderen Orient, dann von dort aus nach Europa, Sibirien und Südostasien, von wo aus sie vor ungefähr 50 000 Jahren nach Australien übersetzten. Wie dieser großräumige Exodus genau ablief, wer wann wo eintraf und wie es ihm in der Fremde erging, ist alles andere als einvernehmlich geklärt, aber das soll uns hier nicht weiter interessieren. Fast alle Forscher sind sich immerhin darin einig, dass Amerika, ebenfalls ein schöner Erdteil, sehr spät besiedelt wurde. Unklar jedoch ist, wann die ersten Menschen den Kontinent betraten – die heute gängigen Theorien decken den Zeitraum von vor 60 000 Jahren bis vor 11 000 Jahren ab. Außerdem weiß niemand, aus welcher
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