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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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Der Physiker Eugene Wigner erhielt 1963 die Hälfte des Physiknobelpreises dafür, dass er die richtige Frage – nämlich die nach dem Grund für die «magischen Zahlen» im Periodensystem der Elemente – gestellt hatte. Die andere Hälfte ging an die beiden Forscher, die die Antwort fanden.
    Die richtigen Fragen zu stellen und damit das Unwissen zu enthüllen, das ist eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft. Denn das Unwissen ist immer schon da, nur nicht für jeden offenkundig; es ist wie das schwarze Tier, das in einem Vexierbild den Raum um das weiße Tier herum füllt und das man erst erkennt, wenn man das Bild eine Weile betrachtet hat. Dann aber ist es nicht mehr zu übersehen. Wenn es diesem Buch gelingt, ein bisschen Aufmerksamkeit auf das schwarze Tier Unwissen zu lenken, hat es seinen Zweck erfüllt. Der Leser wird Unwissen dann auch erkennen, wenn es ihm in freier Wildbahn begegnet.
    Wie hätte ein Lexikon des Unwissens vor 100 Jahren ausgesehen?
    Unwissen ist ein flüchtiges Ding. Es verschwindet, taucht an anderer Stelle wieder auf, kurz: Man kann ihm noch weniger über den Weg trauen als dem Wissen. Darum kann ein Lexikon des Unwissens nicht für die Ewigkeit gebaut sein. Vergleicht man dieses Buch mit seinem 100 Jahre alten Vorgänger, der leider nie geschrieben wurde, so stößt man auf Interessantes: Einige Unwissensthemen waren damals noch nicht einmal bekannt, man denke an Plattentektonik oder die Dunkle Materie. Andere offene Fragen lagen zwar für jeden zugänglich in der Weltgeschichte herum, wurden aber aus verschiedenen Gründen gar nicht oder nicht mit rationalen Mitteln angegangen, das Rätsel um die weibliche Ejakulation zum Beispiel. Wieder andere Probleme sind nach wie vor ungelöst und könnten daher mit einiger Berechtigung in beiden Versionen des Lexikons auftauchen, unter anderem die Riemann-Hypothese oder der Aufbau der Materie. Am optimistischsten stimmen aber diejenigen Unwissensfelder, die in diesem Buch gar nicht auftauchen, obwohl sie vor 100 Jahren große Rätsel darstellten: So hatte man noch keine Ahnung davon, warum Sterne strahlen. Man ahnte zwar schon, dass der Erdkern nicht einfach aus Erde besteht, erfuhr aber erst zwei Jahrzehnte später, dass er flüssig ist, eine ziemlich beunruhigende Tatsache. Es war unbekannt, warum Zitrusfrüchte gegen Skorbut helfen. Ja, man wusste nicht einmal, wo die Laichgründe der Aale liegen.
    Würde man heute ein hundertjähriges Lexikon des Unwissens lesen, man käme sich vermutlich sehr klug vor. Genauso wird es hoffentlich auch unseren Urenkeln gehen, wenn sie einst dieses Buch in der Hand halten. Dunkle Materie, werden sie sagen, natürlich sind das die linksgedrehten Superaxoquattrionen, das weiß doch jeder, und wie konnte man jemals glauben, Schlaf hätte irgendeine Funktion? Katzen schnurren natürlich gar nicht, das ist eine akustische Täuschung, und was Rattenkönige sind, steht ganz genau erklärt im Voynich-Manuskript. So wird dieses Buch im Laufe der Zeit immer weniger echte Unwissensthemen enthalten, bis sich eine Neuauflage der verbleibenden zwei Seiten nicht mehr lohnt. Zum Glück wird das voraussichtlich nicht zu Lebzeiten der Autoren geschehen.
    Wie findet man Unwissen?
    Wie findet man Löcher? Indem man so lange weitergeht, bis man keinen Boden mehr unter den Füßen hat. So ähnlich ist es auch mit dem Unwissen, man fragt und fragt, bis es irgendwann – und oft geht das sehr schnell – keine Antwort mehr gibt. (Und wir meinen hier nicht «keine Antwort» im üblichen Sinne von «Hätte ich nur damals in Chemie besser aufgepasst», sondern wirklich keine Antwort.)
    Das sicherste Anzeichen für gutes Unwissen ist es, wenn Experten auf Konferenzen Wetten darüber abschließen, aus welcher Richtung die Lösung für ein bestimmtes Problem zu erwarten sei. Ideal wäre es also, Experten so lange mit Fragen zu quälen, bis sie einhellig bekunden, nicht weiterzuwissen. Leider ist das nur in wenigen Fällen praktikabel. Stattdessen muss man Unwissen mühevoll und indirekt anhand der Leerstellen in Abhandlungen über Wissen heraussuchen, die in den meisten Fällen sorgsam um das Unwissen herum erklären. Nur ganz selten findet man direkte Hinweise auf Unwissen. Dafür hat fast jede Zeitung einen Wissensteil, und mit Artikeln, die stolz von der Lösung eines Problems X berichten, könnte man ganze Ordner füllen – selbst wenn es sich bei X immer wieder um dasselbe Problem handelt. So wurde zum Beispiel allein in den letzten
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