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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs
Autoren: Tania Douglas
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    |11| Prolog
    Herbst 1793
     
    Es war früh am Morgen. Noch stand die Herbstsonne nicht über dem Himmel der Stadt, doch im Osten hoben sich bereits die Umrisse
     der alten Türme von Notre-Dame gegen den klaren Horizont ab.
    Die Luft war prickelnd frisch und feucht und geschwängert von den Gerüchen des Flusses. Die Räder des verankerten Mühlenschiffs
     gruben sich rhythmisch in das Wasser. Auf den flachen Kähnen erschienen die ersten Wäscherinnen, um Schaum in das Wasser zu
     wringen. Ein berittener Soldat führte drei Pferde den quai hinunter, um die Tiere flussabwärts, an einer seichteren Stelle,
     zu waschen.
    Nichts von dem aufkommenden Treiben war im Haus zu spüren. Nur wenige, gedämpfte Geräusche drangen bis zum ersten Stock hoch,
     in das Zimmer mit den zugeklappten Fensterläden, in dem der Mann lag.
    Doch dann, auf einmal: ein lauter Schlag.
    Der Mann im Bett schreckte hoch, strengte seine Augen an, starrte auf den Türflügel, der mit Wucht gegen die Wand geprallt
     war, auf die Gestalt, die sich undeutlich im Türrahmen abzeichnete.
    Eine Frau?
    Der Mann warf die Decken von sich. «Wer bist du? Was hast du in meinem Schlafzimmer zu suchen?»
    Mehrere Male riss er heftig an der Klingelschnur und sprang auf, zu der Kommode, auf der seine Brille lag. Doch seine vor
     Hast ungeschickten Finger gaben der Brille einen Schubs, und die Augengläser rutschten hinter das schwere Möbel. Der Mann
     fluchte.
    «
Ihr
Schlafzimmer?», wiederholte die Unbekannte schrill.
    |12| Eine weitere Gestalt drängte sich an ihr vorbei in das dämmrige Zimmer.
    «Sie haben geklingelt?»
    «Ah, Gustave! Mein Morgenmantel, schnell! Wie um alles in der Welt kommt diese Frau in mein Zimmer?», zürnte der Mann. «Wer
     ist sie?»
    «Ich habe keine Ahnung, Monsieur!», antwortete der Diener verblüfft. «Ich habe sie noch nie zuvor   …»
    Der Mann war gerade dabei, sich den kühlen schweren Stoff um den Körper zu wickeln, als die Einbrecherin sich auf ihn stürzte.
     Dunkles Haar wirbelte um ihn, Nägel zerrten am Stoff, bohrten sich schmerzhaft in seinen Arm. Überrumpelt schlug er um sich.
    Einen Augenblick später hatten Gustave und ein weiterer heranstürmender Diener die Angreiferin überwältigt.
    «Eine Verrückte!», rief der Mann. «Bringt sie nach unten! Und dann ruft die Gendarmen!»
    Als es ihm endlich gelungen war, seiner Brille habhaft zu werden, rannte er zur Treppe und beugte sich über die Brüstung,
     um in die Halle hinunterzuspähen. Er stockte. Die Haustür war offen, und seine Dienerschaft stand mit leeren Händen im Flur.
    «Wo ist sie?», herrschte der Mann sie an.
    «Sie ist uns entwischt, Monsieur.»
    «Das glaube ich einfach nicht!» Der Mann warf die Arme hoch. «Wollt ihr mir sagen, dass hier jeder herein- und hinausspazieren
     kann, wie es ihm beliebt?» Drohend fragte er: «Wer hat gestern Abend vergessen, die Tür abzuschließen?»
    «Ich hatte sie verschlossen», versicherte Gustave nachdrücklich. Er hielt seinem Herrn einen kleinen Gegenstand hin. «Das
     hier lag unter dem Spiegel. Sie hat ihn mitgebracht und dort hingelegt.»
    «Sollen wir jetzt zur Polizei gehen oder nicht?», fragte der zweite Diener.
    Der Herr starrte auf den Schlüssel in Gustaves Hand. Seine Finger umklammerten das Geländer. «Nein», antwortete er schließlich
     ruhig. «Das regle ich alleine.»

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    |13| Maisons
    DAS VERGESSENE SCHLOSS
    |15| 1.   KAPITEL
    Floréal, Jahr II
    Mai 1794
     
    Marie-Provence’ Schritte hallten durch die prächtig getäfelten Räume des Schlosses. Sie hatte sich umgezogen, und die hohe
     Perücke drückte auf ihren Scheitel. Es war schon dunkel; das flackernde Licht der Öllampe in ihrer Hand spiegelte sich in
     der glatten Seide ihrer Schuhe.
    Während sie an den Zimmern vorbeilief, nahm sie das Rascheln von Kleidern und gedämpfte Stimmen hinter den Türen wahr. Irgendjemand
     pfiff, eine Frau rief mit hochmütiger Stimme einen Befehl.
    Vor einem der Räume blieb Marie-Provence stehen. Sie zögerte anzuklopfen und begnügte sich dann damit, leise an der Tür zu
     kratzen. Als niemand antwortete, drückte sie die Türklinke hinunter. Sie steckte den Kopf durch den Türspalt und trat ein,
     vorsichtig darauf bedacht, das Parkett nicht knarren zu lassen. Der Raum war zwar nur von mittlerer Größe, doch die Decke
     aufwendig mit Stuckelementen verziert. Nach ein paar Schritten erreichte der Lichtkreis ihrer Lampe eine Matratze auf dem
     Boden. Daneben
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