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Leviathan - Die geheime Mission

Leviathan - Die geheime Mission

Titel: Leviathan - Die geheime Mission
Autoren: Scott Keith; Westerfeld Andreas; Thompson Helweg
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die Schubladen der Kommode und sammelte Kleidung zusammen.
    »Der junge Prinz war die ganze Zeit wach«, sagte Wildgraf Volger mit seiner tiefen Stimme. »Einen Rat meinerseits, Hoheit? Wenn man zu schlafen vortäuscht, sollte man nicht den Atem anhalten.«
    Alek setzte sich mit finsterer Miene auf. Sein Fechtlehrer verfügte über die ärgerliche Eigenschaft, eine List sofort zu durchschauen. »Was hat das alles zu bedeuten?«
    »Sie sollen uns begleiten, junger Herr«, murmelte Otto und betrachtete den Marmorboden. »Auf Befehl des Erzherzogs.«
    »Ist mein Vater bereits zurück?«
    »Er hat Anweisungen hinterlassen«, erwiderte Graf Volger mit dem gleichen provozierenden Ton, in dem er auch beim Fechtunterricht mit ihm sprach. Er warf Alek eine Hose und eine Pilotenjacke aufs Bett.
    Alek starrte sie halb wütend und halb verwirrt an.
    »Wie der junge Mozart«, sagte Otto sanft. »In den Geschichten des Erzherzogs.«
    Alek runzelte die Stirn und erinnerte sich an die Lieblingserzählungen seines Vaters über die Erziehung des großen Komponisten. Angeblich weckten Mozarts Lehrer den Jungen mitten in der Nacht, wenn sein Kopf leer und wehrlos war, um ihn mit Musiklektionen zu füllen. In Aleks Ohren klang das eher respektlos.
    Er griff nach der Hose. »Soll ich vielleicht eine Fuge komponieren?«

    »Amüsanter Gedanke«, sagte Graf Volger. »Wenn ich bitten darf, ein wenig Beeilung.«
    »Hinter den Stallungen wartet ein Läufer, junger Herr.« Otto versuchte trotz seiner sorgenvollen Miene zu lächeln. »Sie müssen den Helm aufsetzen.«
    »Ein Läufer?« Aleks Augen weiteten sich. Läufer zu lenken, war Teil seiner Ausbildung – und zwar ein Teil, für den er sich gern aus dem Bett jagen ließ. Rasch kleidete er sich an.
    »Ja, die erste Unterrichtsstunde in der Nacht!«, sagte Otto und reichte Alek die Stiefel.
    Alek zog sie an, stand auf und holte seine Lieblingspilotenhandschuhe aus der Kommode. Seine Schritte hallten laut auf dem Marmorboden.
    »Leise jetzt.« Graf Volger stand an der Tür. Er öffnete sie einen Spalt und spähte hinaus.
    »Wir sollen hinausschleichen, Hoheit!«, flüsterte Otto. »Das wird eine lustige Lektion! Wie beim jungen Mozart!«
     
    Die drei schlichen durch die Trophäenhalle. Meister Klopp allerdings ging weiterhin mit reichlich schweren Schritten, nur Volger gelang es, sich wirklich lautlos vorwärtszubewegen. Gemälde von Aleks Vorfahren, der Familie, die in Österreich seit sechshundert Jahren herrschte, hingen an den Wänden und starrten mit unergründlichen Mienen auf sie herab. Die Geweihe, Jagdtrophäen seines Vaters, warfen im Mondlicht wirre Schatten
wie Geäst im Wald. Jeder Schritt klang in der Stille des Schlosses noch lauter und Alek schwirrte der Kopf vor unbeantworteten Fragen.
    War es gefährlich, nachts einen Läufer zu steuern? Und warum begleitete sie sein Fechtmeister? Graf Volger zog Hieb- und Stichwaffen sowie Pferde den mechanischen Machwerken bei Weitem vor und er hatte wenig übrig für Bürgerliche wie den alten Otto. Meister Klopp war wegen seines Talents im Umgang mit Maschinen angestellt worden, nicht wegen seines Familiennamens.
    »Volger …«, begann Alek.
    » Still, Junge!«, fuhr ihn der Wildgraf an.
    Zorn flammte in Alek auf, und beinahe hätte er einen Fluch ausgestoßen, selbst wenn er ihnen damit dieses alberne Schleichspiel verdorben hätte.
    So war es doch immer. Für die Diener war er vielleicht »der junge Erzherzog«, doch Adlige wie Volger ließen Alek seinen Rang nie vergessen. Da seine Mutter nicht dem Hochadel angehörte, durfte er Kaiserland und Titel nicht erben. Sein Vater war Thronfolger eines Reiches mit fünfzig Millionen Seelen, doch Alek würde nie einen Thron besteigen.
    Volger war lediglich ein Wildgraf – ohne eigene Güter, er besaß nur ein Stück Wald -, aber selbst er durfte sich dem Sohn einer Hofdame gegenüber ranghöher fühlen.
    Dennoch gelang es Alek, Ruhe zu wahren und seine Gefühle zu beherrschen, während sie durch die riesige dunkle Bankettküche schlichen. Nach Jahren der Beleidigung
hatte er gelernt, sich auf die Zunge zu beißen, und der Mangel an Respekt war mit der Aussicht auf den Läufer leichter zu ertragen.
    Eines Tages würde er seine Revanche bekommen. Vater hatte es ihm versprochen. Der Heiratsvertrag würde geändert und dann würde in Aleks Adern königliches Blut fließen.
    Selbst wenn man sich dazu über den Kaiser persönlich hinwegsetzen müsste.

2. KAPITEL
    Als sie die Stallungen
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