Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leviathan - Die geheime Mission

Leviathan - Die geheime Mission

Titel: Leviathan - Die geheime Mission
Autoren: Scott Keith; Westerfeld Andreas; Thompson Helweg
Vom Netzwerk:
dachte Deryn, abhängig zu sein von dem Gas, das aus toten Insekten produziert wurde. Oder es hätte sie ängstigen müssen, denn nur ein paar Lederriemen bewahrten sie davor, eine Viertelmeile tief zu Tode zu stürzen. Aber sie
fühlte sich so erhaben wie ein Adler auf seinen Schwingen.
    Die in Rauch gehüllten Umrisse der Londoner Innenstadt tauchten im Osten auf und wurden von der gewundenen, schimmernden Schlange der Themse durchschnitten. Bald würde sie den riesigen grünen Hyde Park und Kensington Gardens ausmachen können. Es war, als würde sie auf eine lebende Karte hinabschauen: Die Omnibusse krochen wie Käfer dahin, Segelboote schwankten, wenn sie gegen den Wind kreuzten.
    Dann entdeckte sie die Kuppel der St. Paul’s Cathedral und ein Schauer ging durch die Gurte.
    Deryn verzog das Gesicht. Waren ihre zehn Minuten schon um?
    Sie sah nach unten, doch das Seil, das sie mit dem Boden verband, hing schlaff. Man holte sie noch nicht wieder ein.
    Wieder zuckte es und Deryn sah, dass sich einige der Tentakel zusammenrollten wie Geschenkband, das man scharf über eine Schere gezogen hat. Sie verflochten sich langsam zu einem einzigen Strang.
    Der Huxley war nervös.
    Deryn schwang sich von einer Seite zur anderen und hatte keine Augen mehr für den majestätischen Anblick von London. Jetzt suchte sie den Horizont danach ab, was das Flugtier so beunruhigen mochte.
    Und dann entdeckte sie es: eine dunkle, formlose Masse im Norden, eine wallende Woge Wolken, die sich
über den Himmel ausbreitete. Der vordere Rand kroch beständig voran und überzog die nördlichen Vororte mit Regen.
    Deryn bekam eine Gänsehaut auf den Armen.
    Sie blickte hinunter zu den Scrubs und fragte sich, ob die winzigen Flieger da unten die Sturmfront ebenfalls sehen konnten und sie wieder nach unten holen würden. Doch das Versuchsgelände lag immer noch in der Sonne. Von dort unten würde man nur den klaren blauen Himmel sehen, der eigentlich zu einem Picknick einlud.
    Deryn winkte. Konnte man sie hier oben erkennen? Aber natürlich dachten die bestimmt, sie wolle herumalbern.
    »Pennbrüder!«, fluchte sie und betrachtete die gelbe Stoffrolle, die an ihrem Handgelenk festgebunden war. Ein richtiger Aufsteiger-Kundschafter hätte Signalflaggen gehabt oder eine Boteneidechse, die man am Seil nach unten krabbeln lassen konnte. Ihr jedoch hatten sie nur dieses Paniksignal gegeben.
    Und Deryn Sharp war nicht panisch.
    Zumindest glaubte sie das …
    Sie starrte auf den schwarzen Himmel und fragte sich, ob es nicht einfach nur der letzte Rest Nacht war, den die Sonne noch nicht vertrieben hatte. Wenn sie nun doch keinen Flugsinn besaß und ihr die Höhe zu Kopf gestiegen war?
    Deryn schloss die Augen, holte tief Luft und zählte bis zehn.

    Als sie die Augen wieder aufschlug, waren die Wolken weiterhin da – nur näher.
    Der Huxley zitterte erneut und Deryn roch Gewitter in der Luft. Die heranziehende Sturmfront war ganz klar eine Tatsache. Ihr Handbuch für Aeronautik hatte demnach recht behalten: Morgenrot – Schlechtwetter droht.
    Sie starrte das gelbe Tuch an. Wenn sie es abwickelte, würden die Offiziere unten glauben, sie sei in Panik geraten. Dann musste sie erklären, dass sie keineswegs Angst gehabt, sondern nur das schlechte Wetter gesehen hatte. Vielleicht würde man sie loben, weil sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
    Aber wenn das Unwetter die Richtung änderte? Oder sich zu leichtem Nieseln auflöste, ehe es in den Scrubs ankam?
    Deryn biss die Zähne zusammen und fragte sich, wie lange sie wohl schon in der Luft schwebte. Waren die zehn Minuten nicht inzwischen vorbei? Oder hatte sie ihr Zeitgefühl hier oben im weiten, kalten Himmel im Stich gelassen?
    Ihr Blick ging zwischen dem aufgerollten gelben Tuch und dem heranziehenden Sturm hin und her, und sie fragte sich, was in dieser Lage wohl ein Junge tun würde.

5. KAPITEL
    Als Prinz Aleksandar erwachte, lag etwas widerwärtig Süßes auf seiner Zunge. Der entsetzliche Geschmack überlagerte alle anderen Sinne, er konnte weder sehen noch hören und noch nicht einmal denken, so als wäre sein Gehirn in Zuckerwasser getaucht.
    Nach und nach wurde sein Kopf ein wenig klarer – er roch Kerosin und hörte, wie Zweige draußen an die Wände peitschten. Die Welt schaukelte benommen, mit harten, metallischen Rucken.
    Dann erinnerte sich Alek langsam: der mitternächtliche Unterricht im Läuferlenken, seine Lehrer, die sich gegen ihn gewandt hatten, und schließlich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher