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Level X

Level X

Titel: Level X
Autoren: David Ambrose
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geschrien.
    Als die W elt begann, sich um m i ch zu drehen, sah ich ihr schrec k ens b lasses Gesicht in dem Dachfenster, aus d e m ich eben geklettert war. Erst da begriff ich, dass die W elt sich drehte, weil ich vom Dach stürzte.
    Es war einer jener Augenblicke, in denen die Naturges e t z e außer Kra f t zu tr e t en s cheinen. D a m it m eine ich nic h t, d a ss die E r ei g nisse wie in Zeitlu p e ablau f en. Sie scheinen viel m ehr zu geschehen und gleichzeitig nicht zu geschehen. Schock und schlichtes Verleugnen der Tatsachen b ilden sch ü tzende Barrieren, die die Ereignisse einfach nicht an dich heranlassen. Gedanken gehen dir durch den Kopf, für die du e i gentlich gar keine Zeit hast. Auf eine losgelöste, r ein int e lle kt uelle Art u nd W eise erkennst du, dass etwas Schreckliches m it dir geschieht, jedoch ohne dass es dich wirklich berührt.
    Und dann beginnt d i e Fantasie z u arbeiten. Blitz a rtig siehst du d i ch für den Rest deines Lebens in einem Rollstuhl sitzen. Oder, schlim m er noch, flach auf d e m Rücken liegend, in einem orthopädischen Bett, alle Glied m aßen geläh m t.
    Plötzlich … nun, ich bin m i r n i cht ganz sicher, aber ich glaube, ich hörte m i ch selbst lachen. Das alles war viel zu absurd, um es tatsächlich ernst zu neh m en. Es konnte einfach nicht wirklich geschehen!
    Annes Schrei klang m i r weiterhin in den Ohren, als ich vom Dach rutschte und m i ch in der Luft überschlug. Vom Treppenabsatz hinter ihr konnte ich auch Charlies Schrei hören sowie das ängstliche Kläffen des Hundes. Aber ihre Aufregung, ihre Sorge waren m it Sicherheit unnötig. Das alles konnte einfach nicht wahr sein. Un m öglich!
    Nach dem Aufschlag auf den Boden war ich eine ganze Weile weggetreten. Ich wur d e nicht ohn m ächtig, aber die Zeit sc h i en s t ehen zu b l eiben.
    Dann spürte ich, wie das Leben langsam in m einen Körper zurückzuströ m en begann. Im Geiste überprüfte ich jedes einzelne Körperteil, eins nach d e m and e ren. Alles funktionierte noch. Ich war heil geblieben.
    Als Anne m i ch erreichte, stand ich bereits wieder auf den Füßen und pflückte dicke, übel riechende Brocken von m ein e m Trainingsanzug. Ich war im Ko m p osthaufen gelandet.
     
    Ich duschte erst ein m al ausgiebig und untersuchte m i ch dann genauer im großen Badezim m e r spiegel. Ich hatte nur ein oder zwei Schram m en abbekom m en, nichts Ernsthaftes. Sicher verdankte ich das m einer guten Konstitutio n ; im m erhin trai n i e r te ich r e gel m äßig m ehr m als in der W oche. O ff ensichtlich hatte i c h m einen Sturz bis zu einem gewissen Grad koordinieren können.
    Ko m i sch, wie schnell m an Dinge verdrängt. Das schreckliche Gefühl, dass das ganze Leben an einem seidenen Faden hängt, hatte ich fast schon vergessen. Angenommen, ich hätte m i r d e n Schädel angeschlagen? Einen halben Meter weiter links oder rechts, und er wäre zerplatzt wie eine Kokosnuss a u f hartem Beton. Ich starrte m i r tief in die Augen, in das Gesicht im Spiegel, u m rah m t von einem dunklen Haarschopf und weiß e m Rasiersc h a um . W i e m o chte es sich wohl anfühlen, wenn m an einen Hirnschaden erlitt e n hatte? Spürte m an, dass etwas nicht in Ordnung war, ohne genau zu wissen, was? Vielleicht erkannte m an ab und zu in einer Art Geistesblitz die ganze s c hreckliche W ahrheit: d ass m an selbst es war, m it d e m etwas nicht stim m t e. Dass m an selbst der Freak war, der A u ßenseiter, de r nicht ganz nor m al war. Dass die Menschen Mitleid e m pfanden, vor allem aber, dass m an ihnen Angst einjagte, weil m an sich in einen ihrer Albträu m e verwandelt hatte.
    Ich schloss die Augen und zwang m i ch, an etwas anderes zu denken. W e nig spä t er stieg ich die Trep p e hinunter, um zu frühstücken. Als ich die war m e Küche betrat, die n ach Kaffee, Eie r n und Toastbr o t roch, nahm Charlie den Refrain wieder auf, den er ohne Unterlass und m it wachsender Begeisterung g e sungen hatte, seit ich vom Dach gestürzt war: »Daddy ist in den Mist gefallen, Daddy ist in den Mist gefallen …!«
     
    Ich fuhr von Bäu m en gesäu m te Straßen entlang, suchte m einen W e g durch das verw o rrene Netz von Landstraßen und bog an der letzt m öglichen Auffahrt vor der Stadt auf den Highway ab. Das A utoradio lief, aber ich hätte schon zwei Minuten später nicht m ehr sagen können, wie die Schlagzeilen in den N a chrichten lauteten. Der Tag, der bereits dra m atisch begonnen hatte, würde, wenn
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