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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild
Autoren: Alexa Hennig Lange
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nichts mehr läuft. Dieses Geklappe macht mich fix und fertig. Ich kann ja verstehen, dass sie wartet, aber langsam nimmt das krankhafte Züge an. Gleich nehme ich ihr das Gerät weg und behalte es in Gewahrsam.
    Schon wieder klappt sie es auf. Ich sage: »Alina, jetzt stopp das! Der wird sich schon melden!«
    »Und was, wenn nicht?«
    »Dann will er nichts von dir.«
    »Danke, Lelle! Sehr freundlich!«
    Ist doch so. Alina verliert langsam den Boden unter den Füßen. Da muss man Klartext mit ihr sprechen. Sonst dreht die mir noch durch. Ich meine, diese Roadie-Type hat eine Freundin. Außerdem hat Alina ihm nicht mal verraten, dass sie was von ihm will, sondern so getan, als sei er ihr egal. Oder noch schlimmer: als sei sie nicht bereit, Beziehungen zu zerstören. Ich sage nur: Nichts ist in Stein gemeißelt. Meine Devise lautet: Wenn eine Beziehung funktioniert, kann auch niemand von außen kommen und
sie zerstören. Funktioniert sie nicht, ist sie ohnehin verloren. Hut ab, Alina! Ich kann nur hoffen, dass er dennoch was von ihrer Liebe gespürt hat, oder? Ich meine, irgendwie werden sich die beiden ja doch näher gekommen sein, sonst wäre Alina nicht so durch den Wind.
    Sie klappt ihr Handy schon wieder auf, dann wieder zu. Endlich steckt sie es kurz weg und sagt mit zittriger Stimme, die eigentlich cool klingen soll: »Und was ist, wenn er mich nicht mehr anruft? Soll ich ihn dann anrufen und ihm sagen, dass ich ihn toll finde?«
    Exakt diese Frage habe ich in den letzten acht Stunden gefühlte tausend Mal beantwortet. Dennoch sage ich geduldig: »Das wird er doch gemerkt haben oder nicht?«
    »Ich weiß nicht. Ich kann gar nicht mehr klar denken.«
    Das muss sie nicht dazusagen. Das merkt jeder. Um mal kurz ein anderes Thema anzuschneiden: Habe ich schon erwähnt, dass Chips ganz oben auf meiner Fressanfall-Liste stehen? Gefolgt von Tiefkühlpizza, Tortellini in Schinken-Sahnesauce, Mousse au Chocolat und abschließend eine große Tafel Milka Schoko & Keks? Ich befürchte nur, ich werde nie wieder einen Fressanfall bekommen. Ich habe mich nämlich total unter Kontrolle, weil ich nie mehr dick werden will. Das war ich einmal, bevor ich durchs Hungern bedrohlich dünn wurde. Alina hingegen kann essen, was sie will. Sie nimmt nicht zu. Sie ist total spillerig und das wird auch noch durch ihre sehr engen, schwarzen Röhrenjeans unterstrichen. Das wirklich Gute an unserer Freundschaft ist, dass Alina, genau wie ich, flach wie ein Bügelbrett ist. Wir brauchen beide keinen BH. Alina ist froh darüber. Ich inzwischen nicht mehr. Ich glaube sowieso manchmal, dass Alina am liebsten ein Junge wäre.

    Jetzt zieht sie ihr Gerät wieder hervor, starrt aufs dunkle Display und erklärt plötzlich total entschlossen: »Ich ruf ihn jetzt an und sage ihm, dass ich ihn toll finde.«
    »Kannst du dich bitte erst mal entspannen?«
    »Hast recht. Ich brauche dafür Ruhe.«
    Alina stopft das Ding wieder weg und atmet tief durch. Gerade, als sie mir endlich hilft, Chipstüten in den Einkaufswagen zu räumen, wobei die Hälfte danebenfällt, weil sie so verpeilt ist, spielt ihr Handy volle Lautstärke »Schrei« von Bird’s Nest. Ich zucke vor Schreck zusammen. Sie reißt sich das Gerät aus der engen Hosentasche und stammelt: »Er ist es. Er ist es. Lelle, ich piss mir in die Hose. Er ist es!«
    Ich versuche, cool zu bleiben, um die Situation nicht noch mehr anzuheizen, und schiebe weiter bis zu den Kräckern. Trotzdem achte ich darauf, dass ich alles höre, was Alina stammelt, sodass ich mir eins und eins zusammenzählen kann.
    »Hi, äh, ja, klar, wie geht’s? Ich? Äh, ich schätze, bei meiner Freundin, da, wo ihr mich vorhin abgesetzt habt … Du willst kommen? Ja, musst du denn nicht die Bühne aufbauen? … Und deine Freundin …? Okay, ja, okay, ich … ich … ich freue mich. Nein, wirklich. Ich bin nur …«
    Alina klappt ihr Handy zu und dreht sich langsam mit offenem Mund und aufgerissenen Augen, die von Natur aus schon so riesig sind, zu mir um. Ihre langen Wimpern zittern. »Oh-mein-Gott!«
    Ich schiebe mit dem Einkaufswagen wieder näher an sie ran, wobei ich nun Kräckerpackungen in den Einkaufswagen staple. Dabei bin ich bemüht, mir ein Grinsen zu verkneifen, damit Alina nicht denkt, ich will mich
über sie lustig machen. Ich schätze, damit könnte sie nicht gut umgehen, so aufgekratzt wie sie ist. Nur hätte sie im Vorfeld gar nicht erst so einen Aufstand machen müssen, die ganze Aufregung war quasi umsonst.
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