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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild
Autoren: Alexa Hennig Lange
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um zu beweisen, dass das nahe gelegene Chemiewerk giftige Substanzen ins Grundwasser sickern lässt. Arthur will die Welt retten und dafür liebe ich ihn. Aber so, wie er die Sache angeht, nimmt das ziemlich professionelle Züge an. In letzter Zeit scheint ihn nichts mehr zu interessieren, als ständig neue Umweltsünden
aufzudecken. Dauernd will er irgendwas beweisen und auf Missstände hinweisen. Ich rechne ja damit, dass das irgendwann mal kräftig nach hinten losgeht. Dass jemand versucht, ihn mundtot zu machen. Ich meine, hier geht es um viel Geld! Ich sage euch: Eines Tages werden sie ihn auf seiner Vespa von der Straße abdrängen, sodass er einen steilen Abhang hinunterrast und seinen tödlichen Verletzungen erliegt. Arthur zuckt dazu nur mit den Schultern und meint: »Sollen sie doch! Ich weiß, wofür ich kämpfe!«
    Dennoch findet Arthur ausreichend Gelegenheit, mir immer wieder zu versichern, ich sei die Liebe seines Lebens. Er ist froh, dass er sich um diesen wichtigen Punkt keine Gedanken mehr machen muss. Das schmeichelt mir natürlich. In gewisser Hinsicht ist er ja auch meine große Liebe - schließlich sind wir schon seit ein paar Jahren zusammen. Trotzdem, befürchte ich, werde ich mich momentan nicht fest an ihn binden können. Wie bereits erwähnt, bin ich ja ebenfalls in meine geheime Liebe Johannes verliebt. Es hilft auch nichts, dass ich ihn aus Vernunft länger nicht mehr gesehen habe. Ich kriege ihn einfach nicht aus meinem Herzen. Wenn ihr Johannes kennen würdet, wüsstet ihr, was ich an ihm so toll finde. Er ist der Typ Mann, den sich jede Frau wünscht. Der würde nie sagen: »Du setzt mich unter Druck!« Nur leider habe ich das Pech, dass Arthur ebenfalls so ein Typ Mann ist.
    Arthur würde am liebsten sofort eine Familie gründen, weil er seine komplett verloren hat. Wäre ich an seiner Stelle, hätte ich vermutlich das gleiche Bedürfnis. Aber vielleicht sollte er sich dafür besser eine Freundin suchen, die ähnliche Ambitionen in punkto Umwelt und Familie
hat wie er. Das habe ich ihm mal in einem schwachen Moment vorgeschlagen. Schließlich gehe ich noch zur Schule, und ich sehe ja an meiner Schwester, wie aufreibend das Leben mit Kind ist.
    Da hat Arthur mich sehr lange, sehr irritiert angesehen und gefragt: »Machst du Witze?«
    Ich will ja gar nicht behaupten, dass Umwelt und Familie nicht total wichtige Themen sind, ich muss nur erst mal selber mit mir klarkommen und herausfinden, was ich im Leben will und wen ich liebe. Das kann ich Arthur natürlich so nicht sagen. Schmeichelhaft wäre es ja nicht gerade für ihn, wenn er wüsste, dass er eigentlich die ganze Zeit im Wettstreit mit einem anderen Kandidaten liegt. Das behalte ich schön für mich. Auch, wenn Arthur weiß, dass ich mal was mit Johannes hatte. Zu der Zeit war Arthur allerdings gerade in Afrika und hat für arme Kinder Hütten und Brunnen gebaut, und niemand wusste, ob er überhaupt wiederkehrt. Was sollte ich machen? Ich habe mich allein gelassen gefühlt.
    Endlich biegt der schwarz glänzende Tourbus um die Kurve. Wie eine riesige Raupe wälzt er sich die flimmernde Straße herunter, direkt auf mich zu. Puffend hält er neben mir am Straßenrand an und wirbelt ordentlich Staub auf, der sich über mein verschwitztes Gesicht legt und mir in die Augen fliegt. Sehr angenehm! Die Türen schwingen zu den Seiten weg, und Alina steigt blinzelnd aus, ins gleißende Licht des Vormittags. »Hey, Lelle.«
    Bevor ich etwas sagen kann, schließen sich die Türen schon wieder hinter ihr und der Bus fährt an. Das war aber ein schneller Abschied. Ich sehe hinauf zu den Fenstern, kann jedoch nichts erkennen, weil sie komplett verspiegelt sind. Trotzdem hebe ich pro forma die Hand zum
Gruß, vielleicht guckt ja einer von den Jungs raus. Nicht, dass die denken, ich sei unhöflich oder so. Außerdem sollen die ruhig wissen, dass es mich gibt. Ich stehe hier ja nicht umsonst. Der riesige Bus wälzt sich die schmale Straße hinunter und verschwindet hinter der nächsten Kurve. Wirklich nett, dass die Alina hier vorbeigebracht haben. War bestimmt ein Umweg!
    Ich nehme Alina kurz in den Arm und drücke sie an mich. Nicht zu fest, ich bin echt verschwitzt. Sie ist noch dünner als ich, was fast nicht geht, weil ich eins der Mädchen bin, das mit chronischer Magersucht zu kämpfen hat. Wir sind beide total spillerig. »Was geht?«
    Ihre schwarz gefärbten Haare stehen wie Stacheln in alle Richtungen ab, dahinter wogen die Baumwipfel des
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