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Lesereise Schweiz

Lesereise Schweiz

Titel: Lesereise Schweiz
Autoren: Beate Schuemmann
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erklärt, unterstrichen durch Lichteffekte und Klanginstallationen. An Discovery-Boxen kann man Fragen stellen, wie zum Beispiel: »Wann wird es wieder so warm wie es einmal war?« Die Antwort sei kein Geheimnis, sagt Wick. »Wir stecken immer noch mitten im Eiszeitalter. Eine Erwärmung wie vor zwanzig Millionen Jahren wird aber in geologisch langer Zeit kommen.« Auf jede Frage gibt es eine Antwort. Dazu ertönt unter der frei schwebenden Kuppel der »Sound der Jahrmillionen« aus den Lautsprechern. Im Minutentakt ist das unterirdische Rauschen gewaltiger Schmelzwassermassen beim Wirbeln im Gletschertopf zu hören.
    Der Gletschergarten räumt mit der veralteten, aber weit verbreiteten Theorie des sich drehenden Findlings auf, der allmählich den Gletschertopf aushöhlt. Nicht Findlinge, sondern im Schmelzwasser mitgeführter Sand und Kies leisteten die Hauptarbeit beim Aushöhlen des Felsens. Die großen Steine lagen fest in den Gletschertöpfen; sie wurden durch das um sie herum wirbelnde trübe Schmelzwasser wie von einem Sandstrahlgebläse rund geschliffen. Über dem ganzen Areal swingt der Eiszeit-Sound mit Wind, Eisknarzen und hohen Tundra-Tönen. Mitten ins Geschehen dringen plötzlich, nur auf wenigen Metern hörbar, die Geräusche von Meeresbrandung und Wasservögeln, die vor den versteinerten Muschelschalen, dem Abdruck des Palmblatts und den wellenförmigen Rippelmarken im Fels den Palmenstrand von Luzern bildhaft werden lassen. So gesehen ist der Gletschergarten eine Zeitinsel, auf der einzig der erdgeschichtliche Rhythmus der Natur unbeirrbar und unausweichlich den Raum bestimmt.
    Der Ausstellungsraum »Gletscher und Eis« klärt über den neuesten Stand der Forschung auf. An den Kühltürmen lassen sich die eisigen Temperaturen der Arktis und der Antarktis von minus zwanzig Grad ertasten und zum Vergleich die temperierten null Grad der bestehenden Alpengletscher. Ein Gletscherrelief der Zentralschweiz bietet abrufbare Videoclips über diverse Gletscherthemen, Monitore informieren über die fünfundzwanzig wichtigsten Alpengletscher der Schweiz. Eine Multimedia-Show dokumentiert »zwanzig Millionen Jahre Wandel in der Erdgeschichte«. Der »Fundort Luzern« zeigt die in den letzten Jahrzehnten bei Bauarbeiten geborgenen Fossilien, darunter die größte je geborgene Fossilienplatte mit mehr als siebenhundert Versteinerungen.
    Eine andere Frage beantwortet das Gletschermuseum nur am Rande. Warum nämlich das Bundesgebiet der Schweiz mehr als siebenhundert Jahre nach der Gründung der Eidgenossenschaft immer größer wird, und zwar zu Lasten Italiens. Auch hier kündigt sich Wandel an, und er hat mit Gletschern und Eis zu tun. So verlaufen vierzig Kilometer der Landesgrenze zum südlichen Nachbarn über Schneefelder und Gletscher. Da diese durch die Klimaerwärmung dahinschmelzen, kommt es zu Verschiebungen bis zu hundertfünfzig Metern zugunsten der Helvetier. Als natürliche Grenzen gelten im Gebirge die Wasserscheidelinien, also die Bergkämme, von denen aus das Wasser zu den Tälern fließt. Das Schweizer Bundesamt für Landestopografie hat festgestellt, dass sich diese Linie Richtung Italien verschiebt. Peu à peu verschwinden die Alpengletscher, und mit der Erwärmung kommen Meeresküsten, Palmen und Muscheln zurück. Nur, der Mensch des 21. Jahrhunderts wird es nicht erleben.

Spezialität aus Balkonien
Gut eingeschmiert und abgehangen: Bündnerfleisch naturgetrocknet
    Auch Skifahrer haben Hunger. Ob unter dem Piz Nair, dem Hausberg von St. Moritz, dem Parsenn von Klosters, dem Weissfluhjoch von Davos oder dem Rothorn von Lenzerheide – ohne Bündnerfleisch geht in den Hütten an den Skipisten und in den Gasthöfen in den Tälern rein gar nichts. Das Trockenfleisch samt deftigem Graubrot, Gewürzgurke und Silberzwiebeln gehört zu den kulinarischen Gipfeln Graubündens.
    »Allegra«, ruft Donat Malär, der Wirt der Alphütte »Fops«, den Ankömmlingen zu, die eben ihre Skier abgeschnallt haben. »Willkommen« auf Rätoromanisch, der offiziell vierten Landessprache der Schweiz, die in den Tälern Graubündens immer noch gesprochen wird. Auch der Name »Fops« stammt aus diesem »Volkslatein« und bedeutet Plateau. Das passt, denn die urige, sonnenverbrannte Holzhütte, in der zwei Großfamilien leicht um den Ofen herum Platz haben, liegt auf einem neunzehnhundert Meter hohen Sonnenhügel am Berg Piz Scalottas. »Ich bin von Geburt Landwirt«, lacht der Mann, der jeden Tag neunzehn Kühe melkt und
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