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Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt
Autoren: Horst Hoffmann
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1.
    Yacub! hallten die von Sosona erstickt ausgestoßenen Worte in den Gedanken der Amazonen nach. Yacub ist hier, auf dieser Insel, im Nassen Grab!
    Vor den nur noch fünfzehn Kriegerinnen zischte, brodelte und dampfte es. Rötlichbrauner Rauch stieg in feinen Fäden aus unzähligen Erdspalten in den Himmel und verteilte sich dort, mitten zwischen den kreisenden Enterseglern.
    Gudun warf ihnen unsichere Blicke zu. Neben Gorma marschierte sie an der Spitze der Amazonen geradewegs auf die Ebene zwischen den einzigen beiden Hügeln des kleinen Eilands zu.
    Mnora-Pas befand sich am Südzipfel von Mnora-Lör, der größeren Insel, vor der die Sturmbrecher Anker geworfen hatte. Das mächtige Seeschiff war nicht zu sehen. Es lag vor der Ostküste von Mnora-Lör. Die Stelle jedoch, an der die Dienerinnen der Zaem die beiden auf der Flucht vor den Enterseglern gekenterten Boote an Land gezogen hatten, lag im Westen der kleineren Schwesterinsel – und der Versunkenen Stadt Ptaath zugewandt.
    Gudun erschauerte bei dem Gedanken an das mörderische Ringen, das sich vor ihren Augen in der Tiefe abgespielt hatte. Nur den Tritonen, den geheimnisvollen Bewohnern der Ruinenstadt, hatten die Kriegerinnen und Sosona es zu verdanken, daß sie noch lebten. Das Meervolk hatte sie vor den Enterseglern gerettet – wenn Artikis Worten Glaube geschenkt werden durfte, weil sie sich mit Fischtran eingerieben hatten, bevor sie Mnora-Lör verließen.
    Das mochte ihnen vorgegaukelt haben, die Amazonen seien Inselbewohner, ins Nasse Grab Verbannte, die selbst schon mehr Fisch als Mensch waren.
    Das, was diese Verfemten mit den Tritonen verband, war für Gudun ebenso rätselhaft wie das Verhalten der Entersegler. Eben noch hatten die mittlerweile weit über zwanzig Fuß großen Kreaturen sich wütend auf alles gestürzt, das sich bewegte. Nun zogen sie ihre gewaltigen Kreise am Himmel und schienen nur zu beobachten.
    Oder auf ein Zeichen zu warten, dachte Gudun. Auf einen Befehl ihres Meisters – Yacub.
    Gudun hütete sich vor falschen Hoffnungen. Aber deutete das Abwarten der Entersegler nicht darauf hin, daß Yacub selbst unsicher geworden war?
    »Um so besser«, murmelte die Amazone. »Wir werden kämpfen bis zum letzten Tropfen Blut in unseren Adern!«
    Gorma warf ihr einen finsteren Blick zu. Gudun sah sich um. Hinter ihr marschierten Sosona und die Kriegerinnen. Sie hatten Angst vor dem, was in der Ebene auf sie lauern mochte. Doch alle waren sie bereit, ihr Leben für die Zaubermutter Zaem zu geben – und für Burra!
    Nachdem die Hexe aus den Spuren des Steinernen auf dessen Hiersein geschlossen hatte, konnte für sie kein Zweifel mehr daran bestehen, daß niemand anderer als Yacub Zaem und Burra in seine Gewalt gebracht hatte.
    Gorma war stehengeblieben. Hier, auf steinigem Gelände, waren die Fußabdrücke längst nicht mehr so gut zu erkennen wie im Uferschlamm. Sosona kam heran, hockte sich hin und betastete den Boden. Sie schloß die Augen, und Gudun wußte, daß sie wieder mit der Kraft der Weißen Magie sah.
    »Dort entlang«, murmelte sie, als sie sich erhob.
    Ihr ausgestreckter Arm deutete auf den Rand der Ebene, zum Fuß des Hügels zur Linken.
    Gudun kniff die Augen zusammen. Sie sah nichts als Steine und Dämpfe.
    »Wir müssen hindurch«, sagte Gorma.
    »Die Dämpfe kommen aus dem Innern der Welt«, warnte die Hexe. »Sie können unsere Lungen zerfressen oder uns die Sinne rauben, ehe wir überhaupt merken, was mit uns geschieht.«
    »Wir haben keine Zeit, die Bodenspalten zu umgehen!« rief Gorma ungehalten aus. »Jedes Zögern kann den Tod Burras bedeuten!«
    Daß Zaem von Yacub und den ihm innewohnenden Kräften der Finsternis besiegt werden konnte, war ihr immer noch unvorstellbar.
    Gudun nickte bekräftigend. Und wie zur Antwort hoben in diesem Augenblick die unheimlichen Laute wieder an, die verstummt waren, als die Kriegerinnen den Marsch landeinwärts angetreten hatten.
    Es waren Laute, die durch Mark und Bein gingen. Es war wie das Klagen einer hungrigen Dämonenbrut, wie das wütende Geheul entarteten Lebens, das sich irgendwo tief in den Spalten eingenistet hatte.
    »Vorwärts!« rief Gorma.
    Der Trupp setzte sich in Bewegung. Sosona wies den Weg. Immer wieder mußte sie in sich gehen und den Weg des Vierarmigen vor ihrem geistigen Auge bildhaft werden lassen.
    Kein Wind brachte mehr frische Meerluft heran. Schwefelgestank drang in die Nasen der Kämpferinnen und machte sie schaudern. Das Geheul klang grauenvoll in
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