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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland
Autoren: Ralf Sotscheck
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bekannt ist. Das schottische Justizministerium hat die Abschrift der Verhandlungsprotokolle vor drei Jahren einer Privatfirma übergeben, und zwar der Mendip Media Group aus Devon im Südwesten Englands. Nur Cornwall ist noch weiter von Schottland entfernt.
    Seitdem herrscht in schottischen Gerichtssälen das Chaos, denn die englischen Gerichtsschreiber verstehen nur Bahnhof. Aus »libelled« (verleumdet) machen sie »liable« (haftpflichtig), aus »fanciful« (abstrus) wird »fanciable« (attraktiv), was bei Berufungsprozessen, bei denen sich der Richter auf die alten Prozessakten stützt, überraschende Urteile auslösen und so manchen Angeklagten zu Barrel Annie führen kann.
    »Die Protokolle sind fürchterlich«, findet auch der Anwalt Donald Findlay. »Die Leute haben keine Ahnung von schottischer Geografie, sie erfinden verblüffende phonetische Übertragungen von Ortsnamen. Man sollte annehmen, dass es den Verstand eines Menschen nicht übersteigt, die Ortsnamen im Internet zu überprüfen.« Mendip behauptet, dass die »entsetzliche Qualität der Tonbandaufnahmen« in den Gerichten schuld an der Verwirrung sei. Man werde demnächst jedoch ein paar Schotten einstellen, die aus den Tonaufzeichnungen vielleicht schlau werden.
    Der ehemalige britische Premierminister Gordon Brown ist auch Schotte, aber er spricht, wie die Queen, als ob er Murmeln im Mund habe. Dass er weder von Engländern noch von Schotten verstanden wurde, lag an seiner Politik.

Der Reiz des Hinterteils
    Diese Schotten! Geizig seien sie, so sagt man ihnen nach. In Wirklichkeit ist der Schotte an sich ein Volk von Zockern. Neulich hat ein Bauer aus Banff einen jungen Schafbock für zweihunderteinunddreißigtausend Pfund ersteigert. Deveronvale Perfection, so heißt das Tier, sei »das schönste Lamm, das ich jemals gesehen habe«, sagte der neue Besitzer Jimmy Douglas. Es habe »ein großartiges Hinterteil«. Dort sitzen die wertvollen Fleischstücke. Wenn er diesen Hintern seinen Nachkommen vererben kann, holt der Bauer das Geld spielend wieder rein.
    Als es noch keine künstliche Befruchtung gab, hat ein Bock achtzig bis hundert Schafe geschwängert, aber mit moderner Technik kann man diese Zahl vervielfachen. Der Spaß bleibt für den Bock allerdings auf der Strecke. Aber es kann auch schiefgehen, warnen Experten: Vor vierzig Jahren hat jemand sechsundsechzigtausend Pfund für einen Schafbock bezahlt. Dann stellte sich heraus, dass das Vieh unfruchtbar war. Sollte bei Deveronvale Perfection jedoch untenrum alles in Ordnung sein, könnte Douglas in ein paar Jahren dem exklusiven Club seines Landsmanns Malcolm James beitreten.
    Der hat einen närrischen Plan ausgeheckt: Auf seinem vierhundertdreißig Hektar großen Landgut Dall House am Loch Rannoch, wo früher der Clan Robertson hauste, soll ein Spielplatz für die Superreichen dieser Welt entstehen – mit Luxushotel, zwei Golfplätzen, einem Wellness-Center, einem Konzertsaal, einer Schönheitsklinik, einem Einkaufszentrum mit exklusiven Läden wie Fucci und Laberfeld sowie zwei Restaurants mitten im See. Eins über Wasser, eins unter Wasser.
    Damit man unter sich bleibt, werden nur Leute in den Club aufgenommen, die mindestens hundert Millionen Pfund auf der hohen Kante haben. Die Beitrittsgebühr beträgt zwei Millionen, der Jahresbeitrag fünfhunderttausend Pfund. Und die Übernachtungen kosten extra: sechstausend Pfund pro Nacht für ein einfaches Zimmer, und wer es etwas komfortabler haben möchte, muss vierzehntausend Pfund hinblättern.
    James glaubt, dass die Reichen trotz Rezession kommen werden, weil sie dort unter ihresgleichen entspannen können. Seine Zielgruppe sind russische Ölmagnaten, Staatschefs, Bankiers – Leute wie Sir Fred Goodwin. Der frühere Geschäftsführer der Bank of Scotland, der die Bank mit seiner größenwahnsinnigen Expansionspolitik an die Wand gefahren hat und im Alter von fünfzig Jahren in den Ruhestand geschickt wurde, bekommt neben einer großzügigen Abfindung eine jährliche Pension von 342.500 Pfund.
    Irgendwo muss das Geld ja herkommen, sagten sich die Bankbosse und kürzten die Pension für sechzigtausend Angestellte drastisch, aber erhöhten sie für die Aufsichtsratsmitglieder um fünfunddreißig Prozent. Dadurch werde das Pensionsgefüge fairer, erklärte man den überraschten Steuerzahlern, denen die Bank zu siebzig Prozent gehört.
    Sollen Goodwin und Konsorten ihr Geld doch im exklusiven Club der Gauner bei Malcolm James verpulvern. Man
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