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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom
Autoren: Klaus Brill
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Extravaganz.
    Dies ist es jedoch nicht allein, was Pannellas Bedeutung ausmacht. Der Patriarch, der als Parteisekretär der Radikalen formal nur von 1981 bis 1983 amtierte und doch immer ihr Führer war, hat sich seit über zwei Jahrzehnten auch hervorgetan als Heerführer in zahlreichen Volksabstimmungen. Die Einrichtung des Referendums, in der italienischen Verfassung schon 1948 verankert, erlangte erst 1974 wirkliche Bedeutung, weil bis dahin die herrschenden Christdemokraten die Ausführungsgesetze verschleppten. Pannella entdeckte das Referendum sogleich als scharfes Schwert der direkten Demokratie und spielte eine Schlüsselrolle, indem er die öffentliche Meinung für bedeutende Lockerungen bei der Gesetzgebung über Scheidung und Abtreibung mobilisierte. Auch die Bataillen der Radikalen für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, für die Trennung von Kirche und Staat, für den Schutz der Umwelt und gegen die Korruption des herrschenden Parteiensystems wie gegen die Macht der Gewerkschaften setzten wichtige Akzente in einer politischen Landschaft, der eine klassisch links-liberale Partei als dritte Kraft von jeher fehlte.
    In jüngerer Zeit indes verloren die Bürger zunehmend den Gefallen an Pannellas inflationär sich häufenden Referendumsinitiativen, im Juni 1997 scheiterte eine von ihm und seinen Anhängern mit Unterschriftensammlungen eingeleitete Volksabstimmung daran, dass nur 30,3 Prozent der Wahlberechtigten sich daran beteiligten. Ein Jahr zuvor hatte Pannella schon dafür bezahlen müssen, dass er sich mit dem Parteienblock des Konzernherrn Silvio Berlusconi erst verbündet und dann überworfen hatte. Am Ende blieb als politischer Partner nur noch der Kunstkritiker und Fernsehstar Vittorio Sgarbi, ein mit Berlusconi verbundener Freibeuter und Einzelgänger wie Pannella selbst. Die beiden gingen aber bei der Parlamentswahl 1996 mit weniger als zwei Prozent der Stimmen unter, Pannellas Bewegung kam nicht mehr ins Parlament.
    Zur politischen Abstinenz kann ihn dies selbstverständlich nicht veranlassen. Kettenrauchend, zürnend und schwadronierend ist er weiter im feinen Anzug unterwegs, und in den Sendungen von Radio Radicale , einer Station seiner Partei, kommt er auch stundenlang zu Wort. Er hält Versammlungen, bindet sich Protestplakate vor den Bauch und redet, redet, redet. Er lässt, so im Juli 1997 in der Innenstadt von Treviso, Geldscheine an die Leute verteilen, um auf diese Weise gegen das geltende Gesetz der Parteienfinanzierung aus Steuermitteln zu protestieren. »Ich mache«, hat er einmal gesagt, »sogar im Bett noch politische Veranstaltungen«.
    Indes schmerzt es ihn durchaus, dass all seine politische Betätigung ihm nie die höchsten Weihen eingetragen hat. Zwar hat er gelegentlich beträchtlichen politischen Einfluss ausgeübt, so zum Beispiel 1992 bei der Wahl des Christdemokraten Oscar Luigi Scalfaro zum Staatspräsidenten. Aber ein hohes Amt, etwa das des Außenministers, das er 1993/94 anstrebte, blieb ihm versagt. Weiter als bis zur Ministerebene reicht sein Ehrgeiz angeblich ohnehin nicht, so hat er es jedenfalls im Scherz einmal gesagt. »Ein Land, das mich zum Ministerpräsidenten wählen würde, hätte meinen sofortigen Rücktritt verdient.« Warum? »Weil ich nicht nötig wäre.«

Addio, Mamma Roma
Wie die Stadt um Fellini und Mastroianni trauerte
    Es gibt Dinge, die man nur in Rom erleben kann. Dass der Bürgermeister den bekanntesten Brunnen der Stadt mit Trauerflor aushängen lässt, wenn ein beliebter Schauspieler stirbt. Oder dass siebzigtausend Menschen zusammenströmen, um einem toten Filmregisseur die letzte Ehre zu erweisen. Rom ist eine Stadt des Kinos und der großen Geste, und selten hat sie dies so hinreißend demonstriert wie beim Ableben zweier Titanen der italienischen Filmkunst: Federico Fellini und Marcello Mastroianni.
    Die beiden waren der Stadt am Tiber durch ihr Leben und ihr Wirken vielfältig verbunden. Fellini, als junger Mann aus seinem Heimatort Rimini nach Rom verzogen, hat seither dort gewohnt und dort die entscheidenden Impulse seines künstlerischen Daseins empfangen. Sein Arbeitsplatz war das Teatro Cinque, jenes legendäre Studio Nummer 5 in der Filmstadt Cinecittà, das mit viertausendachthundert Quadratmetern die Ausmaße einer Fabrikhalle hat und als größtes Filmstudio Europas gilt. Hier hat Fellini die meisten seiner Filme gedreht, hat gigantische Kulissen errichten lassen und Szenen komponiert, die ihn zu einem der größten
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