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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom
Autoren: Klaus Brill
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anderswo bei vergleichbarem Anlass von ähnlichen Größenordnungen und ähnlichen Inszenierungen gehört, hat man anderswo erlebt, dass Bürger sich in dieser Art ein historisches Ereignis schaffen?
    Als drei Jahre später, im Dezember 1996, Marcello Mastroianni starb, waren es mehr als zwanzigtausend, die am Wochenende vor Weihnachten die großen Treppen des Kapitolshügels hinaufdrängten, geduldig wartend, bis die Reihe an ihnen war. Der blumengeschmückte Sarg stand in der Sala della Protomoteca, dem Ehrensalon des historischen Rathauses. Tausende trugen sich in die Kondolenzbücher ein, unter ihnen der Staatspräsident und der Ministerpräsident, die spätere Trauerfeier endete mit der Musik aus Fellinis Film »Achteinhalb«, zu deren Klang vier Männer den Sarg forttrugen zum Friedhof Campo Verano im Stadtteil San Lorenzo, wo Mastroianni beerdigt ist.
    Italien betrauerte ihn als nationale Identifikationsfigur, die zum »Gesicht des Italieners« geworden war, »nicht wie er ist, sondern wie er sein könnte oder sollte«, so die Zeitung La Stampa . Und ebenso wie der Künstler hatte der Mensch Mastroianni Anteilnahme erweckt, der empfindsame, schüchterne Sohn eines Schreiners und einer Hausfrau aus dem Dorf Fontana Liri bei Frosinone, südlich von Rom, der so italienisch war in seinem Vergnügen an eleganten Kleidern und so unitalienisch in seiner Neigung zum Untertreiben, der politischen Linken nahe und der katholischen Kirche fern. Das Etikett vom Latin Lover hat er gehasst, auch wenn in seinem wie in Fellinis Leben zweifelsohne Frauen die Hauptrolle spielten.
    Fellini hat auch Rom als eine Frau angesehen, als Mamma Roma , wie er sie nannte. »Rom ist eine Mutter, sogar die ideale Mutter, denn Rom ist gleichgültig: eine Mutter, die zu viele Kinder hat, als dass sie sich mit dir abgeben könnte. Sie verlangt also nichts von dir und erwartet sich nichts.« »Eine Mutter«, schrieb er, »die dich nicht dazu zwingt, dich ordentlich zu benehmen.«

Nachsatz
    Die hier vorgelegten Texte sind in den Jahren 1993 bis 1997 als Korrespondentenberichte für die Süddeutsche Zeitung entstanden. Kein Korrespondent arbeitet allein im leeren Raum, sondern in täglicher Fühlungnahme mit den zuständigen Kollegen der Zentralredaktion. Sie sind es, mit denen er seine Projekte vorab diskutiert, sie regen ihrerseits Geschichten an, legen die Länge der Beiträge fest, bestimmen Form und Tag des Erscheinens, sie redigieren die angelieferten Texte, versehen sie mit Überschriften und heben sie samt Fotos oder Grafiken ins Blatt.
    Im konkreten Fall sind die Artikel mit wenigen Ausnahmen für die Seite Drei der Süddeutschen Zeitung recherchiert und geschrieben worden; die in diesem Ressort tätigen Kollegen Giovanni di Lorenzo, Andrea Bachstein und Reymer Klüver haben also ihren Anteil daran, insbesondere Giovanni di Lorenzo, der in Rom bis zur fünften Klasse zur Schule gegangen ist und dessen Vater in Rom lebt, hat wichtige Anregungen gegeben.
    Für die Veröffentlichung in diesem Buch habe ich die meisten Texte leicht überarbeitet und aktualisiert oder allzu aktueller Anspielungen entkleidet. Einzelne Berichte wie das Porträt Marco Pannellas wurden gegenüber der Originalversion stark ergänzt, der Text über Fellini & Mastroianni wurde aus zwei Artikeln zusammengefügt.
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