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Lesereise Mallorca

Lesereise Mallorca

Titel: Lesereise Mallorca
Autoren: Helge Sobik
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Schalentierplatte vierunddreißig Euro hinlegen: »Es ist so teuer geworden, weil Fisch immer teurer geworden ist. Nun haben wir bereits seit fünf Jahren die Preise nicht mehr erhöht, und jetzt ist noch immer Wirtschaftskrise in Spanien.«
    Die Gäste kommen gerne, aber sie kommen nicht täglich, weil sich das fast keiner leisten kann. Es sind vor allem Mallorquiner, dazu einige der neu Hinzugezogenen. »Die Leute aus der Stadt«, sagt Joanna, »sehen das Viertel inzwischen anders. Es steht in viel besserem Licht da. Es hat sich viel verändert. Das liegt am Portixol-Hotel. Und wahrscheinlich auch ein kleines bisschen an unserem Restaurant. Das hoffe ich jedenfalls.«
    Mikael und Johanna Landström unterdessen, die damals mit ihrem Investment in die Hostal -Ruine am Rand des Portixol-Viertels ein hohes Risiko eingegangen waren und gewonnen haben, können inzwischen nicht mehr von dieser Art Arbeit lassen: Sie »sammeln« vernachlässigte Hotel-Immobilien, renovieren und designen sie und versuchen, sie mit neuem Gesicht zurück zum Erfolg zu führen. Sie wollen wiederholen, was ihnen mit dem Portixol gelungen ist. Ein zweites Mal hat das bereits geklappt, ihr drittes Hotel haben sie gerade gekauft.
    Ob es unterdessen dem Mann mit der Eigentumswohnung für siebenhundertfünfundfünfzigtausend Euro schwer fallen wird, Adéu zu seinem Balkon und den kleinen Zimmern, dem zugigen Atelier, dem winzigen Innenhof zu sagen, wenn ein Käufer gefunden ist und die Schlüsselübergabe ansteht? » Hombre! «, sagt er. »Oh, Mann«, heißt das. Er seufzt und scheint mit der Hand flüchtig und irgendwie liebevoll über einen Türrahmen zu streicheln. Was er vermissen wird? »Die Nähe zu meinem Arbeitsplatz in Palma, mein Atelier. Und den Meerblick.« Der kommt für ihn an dritter Stelle. Für den künftigen Besitzer aus dem Norden des Kontinents wird der als Kaufargument an erster Stelle stehen. Die sechsprozentige Maklercourtage wird der Neue nicht berappen müssen. Die trägt in Spanien per Gesetz der Verkäufer – plus Mehrwertsteuer.
    Vielleicht wird Tanja von Busse ja schon bald jemanden gefunden haben. Gerade hat einer auf ihrem Mobiltelefon angerufen, dem sie letztes Jahr eine Wohnung in der Altstadt von Palma gesucht hatte. Er sei mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und habe eine tolle Wohngegend entdeckt, sehr einfach, keine großen Häuser, direkt am Wasser und trotzdem zentral, alles so schön kleinteilig und gewachsen. Sicher ein Geheimtipp. Er wisse nicht, ob dort überhaupt schon etwas zu kaufen sei, aber sie solle doch bitte mal für ihn vorfühlen. Portixol heiße das Viertel …
    Der Anrufer ahnt nicht, wie rasant sich die Gegend bereits verändert hat, bevor er das erste Mal hindurchgeradelt ist. Und dass es nicht mehr nur Mallorquiner sind, die hier Haus oder Wohnung verkaufen, sondern längst bereits Ausländer, die ein paar Jahre hier verbracht haben und nun wieder umziehen.
    Keine Frage, das Viertel ist sauberer geworden in diesen Jahren, moderner auch. Die Drogensüchtigen sind weg. Aber es ist nicht mehr ganz so urig, nicht mehr die Alltagsseite Palmas. Und wie immer, wenn etwas plötzlich auffällt, bemerken es auch die Falschen – solche Leute, die man weder hier noch anderswo haben will. Solche, die wehtun wollen. Menschen, die den Alltag der anderen kapern, um selber ihrem Ziel näher zu kommen. Zwei Bomben hatte die baskische Terroristenorganisation ETA vor ein paar Jahren im Portixol-Viertel deponiert. Eine ging hoch, die andere konnte rechtzeitig entschärft werden. Menschen blieben unverletzt. Und zur Erleichterung aller hat sich der Spuk nicht fortgesetzt.
    Was Joanna Maria Serra vom C’an Tito sich für die Zukunft ihres Viertels wünscht: »Dass die Zeit jetzt anhält und sich nicht noch mehr verändert. Das nichts abgerissen und neu gebaut wird. Und dass auch die Straßen nicht neu gemacht werden.«
    Und was Hoteldirektorin Christina Østrem hier heute besonders schön findet? »Dass inzwischen ganz früh morgens regelmäßig ein paar Fischer und Leute vom Hafen zu uns ins Hotel kommen, ganz ohne Schwellenangst, und hier einen Kaffee trinken, bevor sie zur Arbeit gehen.« Was sie über die Immobilienpreise denkt? »Die sind einfach nur verrückt geworden. Das kann sich kaum noch einer leisten.« Sie ist gerade weggezogen, ein paar Vororte weiter nach außerhalb. Wohin genau? Sie lächelt nur. Stiller sei es dort. Und billiger. Ein Geheimtipp. Noch.

Stapellauf in der Wohnstraße
Traditionelle
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