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Lesereise Mallorca

Lesereise Mallorca

Titel: Lesereise Mallorca
Autoren: Helge Sobik
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so schlecht beleumundeten und inzwischen so nachgefragten Portixol-Viertel von Palma.
    Siebenhundertfünfundfünfzigtausend Euro möchte er für die hundertsechzig Quadratmeter im ersten Stock des dreigeschossigen Hauses an der Küstenstraße haben – die kleine Einliegerwohnung zur Rückseite hin und das gartenlaubenartig verglaste, ein wenig improvisierte Atelier im Hinterhaus mitgezählt. Ein paar Monate ist die Wohnung bereits auf dem Markt. Doch das ist kein schlechtes Zeichen, ein Käufer wird sich finden. Und bis dahin ist Zeit für ein wenig Kosmetik in dem hundertzehn Jahre alten Fischerhaus. So hat der Balkon offenbar schnell noch einen neuen Holzfußboden im edlen Bootsdeck-Look mit geriffelten Dielen bekommen. Die Bretter müssen brandneu sein, denn sie sind nicht die Spur ausgeblichen, keinen Hauch vom Salz des Meeres angegriffen. Der freundliche Mann, der ausziehen will, hat noch mal ein paar Hundert Euro in seine baldige Exwohnung investiert – wahrscheinlich an genau der richtigen Stelle.
    Denn Maklerin Tanja von Busse führt Kaufinteressenten immer als Erstes auf diesen Balkon, schnell durch den kurzen Flur, das gemütliche Wohnzimmer, gleich hierher hinaus ins Freie. Unumwunden gibt sie zu: »Ich zeige immer zuerst, was den größten Reiz ausmacht. Bei dieser Wohnung ist es dieser Balkon mit dem völlig unverbauten Meerblick auf voller Breite. Das ist das Argument. Das ist es, was die Kaufpreisforderung unterstreicht.«
    Seit ein paar Jahren ist das Portixol-Viertel stark im Kommen. Die Anzahl der Wohnungen und Häuser auf dem Markt, zumal in dem nicht sonderlich großen ehemaligen Fischerviertel zwischen Portixol-Hafen und Molinar-Jachtclub an den Schmal-, zwischen Meer und maximal der Carrer d’Erwin Hubert an den Längsseiten, reicht bei Weitem nicht aus, um die Nachfrage nach derartigen Eigentumswohnungen und Häusern gerade unter Skandinaviern, Engländern aber auch Deutschen zu befriedigen.
    Längst haben die ihren Suchradius auch auf das angrenzende Molinar-Viertel ausgeweitet, zumal optisch kein Unterschied, keine klare Abgrenzung auszumachen ist. »Den ausländischen Investoren ist es egal, ob Portixol- oder Molinar-Viertel. Für die Leute aus Palma dagegen macht das einen großen Unterschied«, erläutert Tanja von Busse. Und längst nicht jeder Maklerkollege nimmt es ganz genau, wenn es in den Angebotsbeschreibungen um die Lage geht. Weil Portixol bekannter ist, klebt da in Inseraten gerne mal das falsche Etikett unter Haus oder Wohnung.
    Zur Zeit will einer stolze drei Millionen Euro für eine Ruine in erster Reihe haben, ein anderer dreihundertsechzigtausend Euro für zweiundneunzig Reihenhaus-Quadratmeter in dritter Reihe: »Der beste Zeitpunkt, hier einzusteigen, war vor zehn Jahren. Schon vor sieben, acht Jahren gingen die Immobilienpreise im Viertel durch die Decke – und in der Wirtschaftskrise sind sie stabil geblieben«, so von Busse.
    Nicht eben wenige der Investoren, die für ein kleines und nicht selten baufälliges Haus in den vordersten Reihen gut und gerne eine halbe Million Euro und mehr hinlegen, lassen es abreißen und völlig neu errichten oder entkernen – mit weiteren nicht unerheblichen Kosten. Was sie dann haben, ist ein großen baulichen Beschränkungen unterworfenes Heim am Meer, das dennoch nichts Repräsentatives hat. Sie leben auf Grundstücken fast ohne Freiflächen, haben jeden Tag ihre Parkplatzsorgen und erleben, dass insbesondere an den Wochenenden erholungssuchende Städter in Scharen an ihrer Veranda oder ihrem Balkon vorbeiflanieren und es auch nachts lange dauert, bis doch noch Ruhe einkehrt.
    Jedermanns Sache ist das nicht, und trotzdem erstreben viele genau das: weil Portixol als Szene-Viertel gilt, angesagt ist, etliche Bars und Restaurants kurzfristig enorm en vogue sind und kurz darauf Name und Betreiber wechseln, um wiederaufzuerstehen und den Hype zu wiederholen. Sie kommen, weil zugleich noch immer ein paar der Alten da sind – die Fischer und die Arbeiter von einst, die einfachen Leute, die in den engen Straßen so nah am Meer aufgewachsen sind. Und sie kommen, weil das Zentrum von Palma mit all seinen Möglichkeiten in einem zwanzigminütigen Spaziergang zu erreichen ist.
    Dabei galt Portixol lange als heruntergekommen, als verrufen sogar. Kriminelle waren hier unterwegs, Zuhälter fanden hier ihre Kunden. Und am Strand lagen deutlich sichtbar die Nadeln der Drogensüchtigen im Sand herum.
    Der Wandel begann 1999 mit der Neueröffnung
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